"Eternauta 1969": Als kongenialer Zeichner zu Héctor Germán Oesterhelds Dystopie fungierte Alberto Breccia.

Foto: Avant-Verlag

Wien – Zwischen 1957 und 1959 veröffentlicht der argentinische Autor Hectór Germán Oesterheld gemeinsam mit dem Zeichner Francisco Solano López in der Zeitschrift Hora Cero Suplemento Semanal eine im damals nicht gar so fernen Jahr 1963 spielende Science-Fiction-Saga. Die heute in Argentinien längst auch als "National Treasure" gehandelte, aus heutiger Sicht durchaus sympathisch-naiv wie realistisch gezeichnete Geschichte um den Eternauta, den "Reisenden durch die Ewigkeit" oder den "ewig Reisenden", reagiert damals auf den latenten Angstzustand, der durch die Zeit des Kalten Kriegs hervorgerufen wird.

Dem damaligen Comic-Verständnis entsprechend, kommt der unsichtbare Feind aus dem All und schickt mit mannsgroßen Käfern und menschenähnlichen vielfingrigen Helfern auch einen tödlichen Schneefall. Bei Berührung mit den Flocken stirbt ein Großteil der Menschheit. Übrig bleibt unter anderem eine kleine Gruppe von Widerstandskämpfern, die sich gegen die Bedrohung von oben mit Taucheranzügen und dem damals handelsüblichen Waffenarsenal wehrt. Mit einem gekaperten Raumschiff der Aliens werden schließlich Reisen durch Raum und Zeit möglich, was die Geschichte etwas verkompliziert und verlängert, weil die diversen handelnden Personen dadurch auseinandergerissen werden.

Apokalyptisches Setting

Interessant an Eternauta, das 2016 erstmals auch auf Deutsch als 400-seitiger und kiloschwerer Ziegel veröffentlicht wurde: Als Held fungiert nicht, wie im Comic-Genre üblich, ein einzelner Held, der sich durch spezielle Talente oder Superkräfte auszeichnet. Den Kampf gegen die gesichtslose und allgegenwärtige Bedrohung nimmt ein Kollektiv auf, das erst in der Gemeinschaft und im Zusammenhalt Stärke erlangt.

1969 überschrieb Oesterheld die Geschichte gemeinsam mit dem neuen Zeichner Alberto Breccia. Er verschlankte sie, baute mehr Gewalt und vor allem politische Anspielungen auf die US-amerikanischen imperialistischen "Unternehmungen" in Lateinamerika ein. Oesterheld bringt sich in der Geschichte selbst als Erzähler oder Chronist des Grauens ins Spiel und wird damit auch in Europa bekannt; vor allem auch wegen des damals neuen, wohl auch verstörend wirkenden collagenhaften, malerischen Stils Alberto Breccias, der dem apokalyptischen Setting noch einen zusätzlichen Twist verleiht.

Die damals von der argentinischen Zeitschrift Gente unter dem Vorwand der künstlerischen Unverständlichkeit und unnötigen Elaboriertheit abgebrochene Serie Eternauta 1969 liegt nun ebenfalls erstmals in deutscher Übersetzung vor.

1975 publizierte Oesterheld, der unter anderem auch eine Comics-Biografie über Che Guevara verfertigte, unter dem Titel Eternauta II in der Zeitschrift Skorpio schließlich weitere Episoden. Aufgrund der politischen Unterdrückung hatte sich Oesterheld damals schon offen gegen das Militärregime ausgesprochen und war gemeinsam mit seinen vier Töchtern der linken peronistischen Stadtguerilla-Bewegung der Montoneros beigetreten. Er musste die Episoden von Eternauta II schon in geheimen Verstecken schreiben.

Schmutziger Krieg

1976 wurde Oesterheld nach dem Putsch des Generals Jorge Rafael Videla verhaftet. Man ließ ihn ebenso verschwinden wie ein Jahr später seine Töchter. Wahrscheinlich wurde Oesterheld 1978 oder 1979 ermordet.

Seine Witwe Elsa Sánchez zählte ab 1977 zu den ersten "Müttern der Plaza del Mayo", jener Menschenrechtsorganisation, die Aufklärung über das Schicksal verschwundener Familienmitglieder, der "Desaparecidos", forderte, (vermeintliche) Regimekritiker, die die Militärjunta während des "schmutzigen Kriegs" bis 1983 systematisch verschwinden ließ. (Christian Schachinger, 12.12.2017)