Foto: Mamyjomarash (Amy Marash)
Mehr als ein halbes Jahrhundert lebte Arthur C. Clarke in seiner Wahlheimat Sri Lanka.
Foto: Mamyjomarash (Amy Marash)

Jede revolutionäre Idee, sagte Arthur C. Clarke einmal, rufe drei Phasen der Reaktion hervor: 1. Es ist vollkommen unmöglich. 2. Es ist möglich, aber den Aufwand nicht wert. 3. Ich hab ja schon immer gesagt, dass es eine gute Idee ist.

1964 wurde mit Syncom 3 der erste Kommunikationssatellit in eine geostationäre Umlaufbahn gebracht – zum ersten, aber bei weitem nicht zum letzten Mal sollte sich damit eine Vorhersage Clarkes bewahrheiten. Bereits 1945 hatte er, unter anderem in einem Artikel in "Wireless World", die Möglichkeit dargelegt, mit drei um jeweils 120 Grad versetzten Satelliten respektive Weltraumstationen den gesamten Globus mit Radiokommunikation zu versorgen. Später nannte er sich selbst gern Pate des ersten globalen Satellitennetzwerks.

Schon in den 1940er-Jahren erkannte Clarke die Möglichkeiten von Satellitennavigation, Standortbestimmung und satellitengestützter Telefonie, für jeden nutzbar auf kleinen tragbaren Geräten. Mitte der 1960er-Jahre prognostizierte er de facto das Internet und eine der Wikipedia ähnelnde Online-Enzyklopädie – erneut mit Zugang für jedermann. Telekonferenzen, Telearbeit, Telemedizin: Die Selbstverständlichkeiten von heute antizipierte er um Jahrzehnte früher, als sie noch nach Utopie klangen.

Bescheidene Anfänge

In die Wiege gelegt wurde ihm seine "seherische Gabe" nicht. Arthur Charles Clarke wurde am 16. Dezember 1917 in Somerset geboren. Er verbrachte seine Kindheit auf der elterlichen Farm, wo er die raren Gelegenheiten ergriff, sich mit Wissenschaft auseinanderzusetzen – seien es Fossilien von der nahen Küste, Sterngucken oder die Pulp-Hefte der Nachbarskinder. Bereits mit 16 trat er der British Interplanetary Society bei, deren Vorsitzender er später werden sollte. Nachdem er seinen Militärdienst als Radarspezialist der Royal Air Force absolviert hatte, holte er nach dem Zweiten Weltkrieg seine akademische Ausbildung nach und studierte am King's College Mathematik und Physik.

Arthur C. Clarke über die knifflige Aufgabe, Vorhersagen für die Zukunft zu treffen.
Veronica Gwynn

Zu diesem Zeitpunkt hatte er längst zu schreiben begonnen, Sachtexte und Science-Fiction-Erzählungen gleichermaßen. Widerspruch war dies für ihn keiner: Zusammen mit Isaac Asimov und dem in Europa weniger populären Robert A. Heinlein bildete Arthur C. Clarke das Dreigestirn des ausgehenden Goldenen Zeitalters der Science Fiction, einer Ära, in der die SF stark wissenschaftlich geprägt war. Er baute sich ein Netzwerk von Kontakten auf und rief gern mal direkt bei der Nasa oder dem MIT an, wenn er eine Idee für eine neue SF-Geschichte überprüfen lassen wollte. Leben konnte er von der Schriftstellerei seit dem Erfolg seines Romans "Die letzte Generation" von 1953. Drei Jahre später zog er nach Sri Lanka, das bis zu seinem Tod seine Heimat bleiben sollte.

Die Lust an der Idee

Clarke hortete zu Hause Wissenschaftsmagazine und durchforstete alte Literatur nach vergessenen Konzepten, die er überprüfte, erweiterte und popularisierte. Die Grundidee für geostationäre Satelliten hatte er in einem Text des Slowenen Herman Potocnik aus dem Jahr 1928 ausgegraben. Ein anderes Konzept, das er mehrfach aufgriff, war das vom Weltraumlift, einer energiesparenden Seilbahnverbindung zwischen dem Erdboden und einer Station im Orbit. Vorgeschlagen hatte das Konzept ursprünglich der russische Weltraumpionier Konstantin Ziolkowski im Jahr 1895.

Wissenschaft und Science Fiction waren für Clarke kommunizierende Gefäße. In seinem Roman "Das Lied der fernen Erde" beschrieb er ein friedliches Utopia auf einer Wasserwelt, während er in Essays und Zeitschriftenartikeln die nachhaltige Nutzung der Ozeane durch Aquakulturen und Meereswärmekraftwerke propagierte. Zudem betrieb er ein Tauchunternehmen und war selbst ein leidenschaftlicher Taucher, bis ihn die Spätfolgen einer Polioinfektion schließlich daran hinderten.

Ein Lieblingsthema Clarkes: der Weltraumlift.
cplai

Er glaubte fest daran, dass die Zukunft der Menschheit im Weltraum liegt. Das betrachtete er auch als Überlebensfrage, denn Clarke warnte wiederholt vor der unterschätzten Gefahr durch Einschläge erdnaher Asteroiden oder durch den Raubbau an nicht mehr erneuerbaren Ressourcen. Zugleich war er davon überzeugt, dass die Menschheit all ihre ökologischen und politischen Probleme letztlich in den Griff bekommen würde und dass neuen Technologien dabei eine entscheidende Rolle zukäme. Sein grundsätzlicher Optimismus wurde oft enttäuscht, aber nie gebrochen.

Clarkes moralischer Kompass war ganz auf universelle Werte ausgerichtet: auf ein friedliches und harmonisches Zusammenleben, die Erhaltung der Biosphäre und nicht zuletzt universelle Bildung. Als Mensch der Aufklärung wandte er sich strikt gegen Religion. Er bezeichnete es als eine der größten Tragödien der Menschheitsgeschichte, dass die Moral von der Religion "entführt" worden sei.

Zwischen Atheismus und Metaphysik

Primär galt die Ablehnung Clarkes, der sich zunächst als Pantheist und erst später als Atheist bezeichnet hatte, aber der Religion in ihrer organisierten Form. In seinen Werken kann man jede Menge zumindest metaphysischer Elemente finden. In "2001: Odyssee im Weltraum" bewirken Außerirdische die Intelligentwerdung des Menschen, indem sie seinen Hominidenvorfahren gleichsam den göttlichen Funken einhauchen. Auch im Roman "Die letzte Generation" fördern Aliens die Evolution des Menschen – dass die Overlords genannten Besucher in diesem Fall exakt wie der christliche Teufel aussehen, ist ein ironischer Seitenaspekt. Am Ende des Romans vollzieht die Menschheit einen Evolutionssprung, und die tatsächlich letzte Generation verschmilzt geistig zu einem Überwesen.

Wie eine Extremform des sogenannten anthropischen Prinzips, das von einer Wechselbeziehung zwischen dem beobachtbaren Universum und dessen intelligentem Beobachter spricht, liest sich Clarkes berühmte Kurzgeschichte "Die neun Milliarden Namen Gottes" aus dem Jahr 1953. Tibetische Mönche sehen es als ihre Lebensaufgabe an, alle denkbaren Namen Gottes zu finden und aufzulisten. Um sämtliche möglichen Zeichenkombinationen niederschreiben zu können, lassen sie sich von Experten aus dem Westen ein Computerprogramm installieren. Die Aufgabe gelingt, und die Erzählung endet mit einem der denkwürdigsten Schlusssätze der SF-Geschichte: "'Schau', flüsterte Chuck, und George hob die Augen zum Himmel. (Alles geschieht irgendwann zum letztenmal.) Über ihnen erloschen still die Sterne." Die Menschheit hat ihren Daseinszweck erfüllt, das Universum schaltet sich ab.

Neben einem gewissen Hang zur Spiritualität, der in Widerspruch zu Clarkes Rationalismus zu stehen scheint, zeigt die Geschichte, dass auch ein Optimist Sinn für schwarzen Humor haben kann. Wenn Clarke seinen Heimcomputer runterfuhr, erklang kein simpler Akkord, sondern ein Filmzitat – nämlich die Worte, mit denen der rebellische Computer HAL in "2001" sein elektronisches Leben aushaucht.

Arthur C. Clarke kommentiert die Mondlandung – und was danach kommen könnte.
CBS News

Spätestens durch die Kooperation mit Stanley Kubrick für das Film- und Romanprojekt "2001" war Clarke zur Berühmtheit geworden, ein seltener Fall unter SF-Autoren. Er kommentierte 1969 für CBS die Mondlandung und trat in den 80er- und 90er-Jahren in mehreren TV-Serien des britischen Senders ITV als Gastgeber auf. Im Jahr 2000 wurde er zum Ritter geschlagen. Und er war ein Star, der den Umgang mit anderen Stars durchaus genoss. Den Raum, in dem er Fotos von Begegnungen mit Astronauten und andere Memorabilia zu Hause aufbewahrte, nannte er augenzwinkernd seine Egokammer.

Mit Einblicken in die Bereiche seines Lebens, die er selbst für weniger relevant erachtete, hielt sich der medienaffine Autor allerdings zurück. Er lebte offen, aber nicht öffentlich. Journalistenfragen nach seiner sexuellen Orientierung ließ er meist mit einer scherzhaften Bemerkung von sich abperlen. Es ist kein Zufall, dass seine Romane nicht wegen ihrer Hauptfiguren, sondern wegen ihrer Ideen in Erinnerung – und seit Jahrzehnten durchgehend in Druck – geblieben sind. Die Tiefen der Psyche fand Clarke weit weniger spannend als die des Weltraums oder des Ozeans. Womöglich ist HAL mit seinem folgenreichen Programmkonflikt der tiefschürfendste Charakter, den Clarke je gezeichnet hat.

Bleibendes Erbe

Zu Clarkes Erbe gehört ein umfangreiches Werk, das sich annähernd 50 zu 50 auf Wissenschaft und Science Fiction verteilt, ebenso wie eine Reihe sprichwörtlich gewordener Aussagen. Dazu zählen auch die sogenannten Clarke'schen Gesetze, dessen bekanntestes besagt, dass jede hinreichend fortschrittliche Technologie von Magie nicht zu unterscheiden sei. Bis heute zollen SF-Autoren dem wohl größten Vertreter ihres Genres Tribut. Stephen Baxter, der mit Clarke einige gemeinsame Werke verfasst hatte, benannte erst vor kurzem in seinem Roman "Der Lange Kosmos" ein futuristisches Weltraumteleskop nach Clarke. Was könnte ein besseres Symbol für den Weitblick des "Propheten des Weltraumzeitalters" sein?

Fotos: Del Rey, New American Library, Pan

Am 19. März 2008 starb Arthur C. Clarke im Alter von 90 Jahren in seiner Wahlheimat Sri Lanka – dort, wo vorerst nur in seinem Roman "Fahrstuhl zu den Sternen" der Weltraumlift verankert ist. (Jürgen Doppler, 15.12.2017)