Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat seine wesentlichen Ziele erreicht – etwa dass die Europaagenden nicht bei der FPÖ angesiedelt sind.

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Der Termin, den Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache am Samstagmorgen bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen absolvierten, war nicht ihr erster. Aber er war der wichtigste, wichtiger als jener am 20. Oktober, bei dem Sebastian Kurz den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen hat. Wichtiger auch als jener Termin am Montag, an dem Van der Bellen seine erste Regierung angeloben wird.

Der Samstagstermin nämlich machte erst den Weg frei dafür, dass die Regierung Kurz/Strache am Montag überhaupt angelobt werden kann.

Hätte Van der Bellen das Programm und das Personalpaket, das ihm die Chefs von ÖVP und FPÖ vorgelegt haben, nämlich nicht akzeptiert, wären die Regierungsverhandlungen mehr oder weniger umsonst gewesen. Van der Bellen hätte seine Besucher zurück an den Verhandlungstisch schicken können, hätte einzelne Personen aus der Ministerliste ablehnen können, hätte auch den Auftrag zur Regierungsbildung zurückziehen können.

Hat er alles nicht gemacht.

Präsidiale Mitwirkung

Denn diese Regierung ist unter ständiger begleitender Mitwirkung des Bundespräsidenten entstanden. Was viele seiner Wähler nicht verstehen oder verstehen wollen: Schließlich wurde der Wahlkampf des heutigen Bundespräsidenten als ein Zeichen gegen Schwarz-Blau (vor allem: gegen den blauen Kandidaten Norbert Hofer) angelegt und ebenso aufgefasst.

Pilz-Abgeordneter Bruno Rossmann, der 2016 noch als Grüner für Van der Bellen Wahlwerbung gemacht hatte, bringt es auf den Punkt: "Mit Innenminister Kickl und Verteidigungsminister Kunasek gibt er den Weg für den Überwachungsstaat frei. Was für eine Enttäuschung! Viele Menschen sind im Wahlkampf 2016 für einen mutigen Bundespräsidenten gelaufen."

Ins selbe Horn stößt eine Kampagne des Politikberaters Carl Yussi Pick, der mit dem Verein Aufstehn einen Eilappell an Van der Bellen gerichtet hat, das "FPÖ-Kontrollmonopol zu stoppen". Übers Wochenende haben mehr als 50.000 Personen den Appell unterstützt, der die Regierung noch vor ihrer Angelobung wieder zu Fall bringen soll. Dass Van der Bellen diesem Appell folgt, gilt aber als ausgeschlossen.

Klarerweise hätte es der Bundespräsident in der Hand gehabt, bei seinem Auftrag zur Regierungsbildung vorzugeben, dass die FPÖ nicht in der Regierung vertreten sein dürfe.

Kaum eine Alternative

Immerhin hätte es ja auch eine schwarz-rote Mehrheit gegeben – wenn auch die Chemie zwischen Kurz und Christian Kern vergiftet war, so hätte es doch eine Regierung Kurz/Doskozil geben können. Aber da hatte Kern die SPÖ schon aus dem Spiel genommen.

Man könnte sich – um mit den Worten Norbert Hofers zu sprechen – noch wundern, was sonst noch alles möglich wäre. Die Verfassung gibt dem Bundespräsidenten ja auch das Recht, ganz jemand anderen als den Mehrheitsführer im Nationalrat mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Dieser hätte dann aber Schwierigkeiten, eine Mehrheit im Parlament zu finden.

Kurzfristig hätten viele Van-der-Bellen-Wähler vielleicht Freude an einem solchen Vorgehen gehabt. Stabile Verhältnisse wären so aber nicht entstanden – vielmehr hätten Neuwahlen gedroht, die womöglich eine noch größere türkis-blaue Mehrheit ergeben hätten.

Also blieb dem Bundespräsidenten nur der schwierigere Weg, die Koalition mitzugestalten. Soweit man weiß, hat er zu den Verhandlern intensive Kontakte gepflegt und sie daran erinnert, dass er die Vorschläge des (künftigen) Bundeskanzlers ja nicht annehmen müsse.

Die auf europäischer Ebene als rechtsextrem eingestuften Politiker Harald Vilimsky und Johann Gudenus brauche man ihm daher gar nicht vorzuschlagen – ein Hinweis, der prompt in den Medien gelandet ist, weil ihn Van der Bellen auch bei einem Botschafteressen ausgesprochen hat. Und eine Regierung, in der Justiz und Inneres in der Hand der FPÖ landen (wie es die Freiheitlichen ursprünglich wollten), hätte Van der Bellen wohl auch nicht angelobt.

Wünsche aus der Hofburg

Auch dass Innenminister Herbert Kickl eine Staatssekretärin zur Seite gestellt bekommt und dass die Europaagenden nicht bei der FPÖ angesiedelt sind, dürfte in der Hofburg ersonnen worden sein. Bei der Präsentation von Regierungsprogramm und Regierungsmannschaft am Samstagabend haben Kurz und Strache auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie Wünsche des Bundespräsidenten erfüllt haben.

Aber das stand dann schon nicht mehr im Vordergrund. Den Journalisten, die auf den Kahlenberg gebeten wurden, wurde vor allem demonstriert, wie gut sich die beiden Männer an der Spitze der von Van der Bellen anzugelobenden Regierung untereinander verstehen. Schon der Titel des Regierungsübereinkommens "Zusammen. Für unser Österreich." deutet die Harmonie an, Kurz bedankte sich nicht nur bei Van der Bellen für das Vertrauen, sondern auch bei seinem nunmehrigen Koalitionspartner Strache. Und Strache bedankte sich seinerseits bei Kurz, indem er dessen "starke Persönlichkeit mit menschlicher Qualität" hervorhob.

Keine Wunderwuzzis

Und dann schickte Strache eine Botschaft aus, die vor allem an die eigenen Wähler geht und potenzielle Kritiker schon vorab beschwichtigen soll: "Wir wissen beide, dass wir keine Zauberer und Wunderwuzzis sind." Offenbar ist den Spitzen dieser Koalition sehr bewusst, dass sie nicht alle Erwartungen erfüllen können. Zu hoch gesteckte freiheitliche Ziele hatten unter der schwarz-blauen Regierung Schüssel zu einem Aufstand der Funktionäre, einem Abwandern der Wähler und schließlich zu einer Spaltung der FPÖ geführt.

Persönlich hat Strache damals davon profitiert, er wurde Parteichef. Jetzt will er es bleiben. Denn das gemeinsame Programm ist auf lange Dauer angelegt – auf "kleine Schritte", die man nehmen muss, um schließlich auf dem Gipfel anzukommen.

Denn auch das ist Kurz und Strache offensichtlich bewusst: Mit der Angelobung am Montag haben sie zwar das Ziel erreicht, eine Regierung rechts der Mitte zustande zu bringen. Aber nach dieser persönlichen Zielerreichung muss regiert werden, Kurz hat noch am Samstag betont, dass sein Ziel in Wirklichkeit eine stabile Regierung ist. Was sich mit Van der Bellens Interesse deckt.

Nach der Angelobung geht es für Kurz zunächst nach Brüssel, wo er einen Antrittsbesuch bei EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker absolviert. Am Mittwoch stellt er die Regierung dem Nationalrat vor. Danach kommt die eigentliche Arbeit. (Peter Mayr, Conrad Seidl, 17.12.2017)