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Saftig blühen die Wiesen in Südtirol.

Foto: REUTERS/Dominic Ebenbichler

Rom – Kaum war das österreichische Kabinett angelobt, ist FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer über den Brenner nach Bozen geeilt, um den Südtirolern die frohe Kunde aus dem Regierungsprogramm zu überbringen: "Schon Ende 2018, spätestens aber 2019, werden deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler die doppelte Staatsbürgerschaft beantragen können", erklärte Neubauer.

Laut der jüngsten Volkszählung haben rund 70 Prozent der Südtiroler Deutsch als Muttersprache, 4,5 Prozent sprechen Ladinisch, einen romanischen Dialekt. Das Angebot der Wiener Regierung richtet sich somit an rund 350.000 Bürgerinnen und Bürger in dem seit 1919 italienischen Südtirol. Neubauer erklärte in Bozen, dass Südtiroler mit dem Doppelpass künftig beim österreichischen Heer Dienst leisten könnten; und Sportler könnten statt für italienische für österreichische Mannschaften Medaillen sammeln.

Thema immer noch lebendig

Mit dem Doppelpass für Südtiroler wagt sich die schwarz-blaue Regierung in Wien auf heikles Terrain vor: Die "Tiroler Frage" ist seit 1919 trotz diverser völkerrechtlicher Verträge nie ganz zu den Akten gelegt worden. Vor allem rechtslastige Parteien und Gruppierungen wie die Südtiroler Freiheit und der Südtiroler Heimatbund sowie der teilweise rechtsextreme Schützenbund fordern seit der versuchten Zwangsitalianisierung unter dem italienischen Diktator Mussolini die Wiedervereinigung des österreichischen Teils von Tirol mit dem italienischen Südtirol. Dies wiederum wird von der italienischsprachigen Minderheit Südtirols kategorisch ausgeschlossen, wobei auch hier die rechtsnationalen Parteien die lautesten sind.

Barsche Reaktionen auf Österreichs Vorpreschen ließen nicht lange auf sich warten. "Hände weg von Südtirol!" protestierte etwa die Chefin der postfaschistischen Splitterpartei Fratelli d’Italia, Giorgia Meloni. Es sei Wahnsinn zu denken, dass ein Teil Italiens von einer Mehrheit österreichischer Bürger bewohnt sein könnte. "Das wäre eine verkappte Sezession." Auch der italienische Präsident des EU-Parlaments, Antonio Tajani von Silvio Berlusconis Forza Italia, meldete sich zu Wort: "Die Ära des Nationalismus in Europa ist abgeschlossen."

Kurz: "Exzellentes Verhältnis"

Bundeskanzler Kurz hat inzwischen erklärt, dass die doppelte Staatsbürgerschaft selbstverständlich nur in "enger Zusammenarbeit mit Italien", zu dem man ein "exzellentes Verhältnis" habe, eingeführt werde. Er will sich bald mit seinem italienischen Amtskollegen Paolo Gentiloni treffen. "Er ist ein guter Freund von mir", versicherte Kurz Dienstagnacht in Brüssel.

Auch die italienische Regierung war bemüht, die Sache nicht aufzubauschen. Die Frage müsse "mit viel Fingerspitzengefühl behandelt werden", erklärte Außenminister Angelino Alfano.

Letztlich will man in Rom erst einmal abwarten, wie sich Wien die Gestaltung der Doppelstaatsbürgerschaft konkret vorstellt. Laut Experten müssten die Verfassung angepasst und Völkerrechtsverträge umgeschrieben werden. Die italienische Regierung ist sich auch dessen bewusst, dass sie nicht unbedingt in der Position ist, Österreich Moralvorträge über Doppelstaatsbürgerschaften zu halten: Rom hatte solche schon vor Jahren der italienischstämmigen Bevölkerung in den Balkanstaaten und in Südamerika ermöglicht – ebenfalls nicht zur ungetrübten Freude der betroffenen Staaten. (Dominik Straub aus Rom, 20.12.2018)