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A1 zeigt sich prinzipiell erfreut über den Bescheid der RTR.

Foto: Reuters

Die österreichische Telekombehörde RTR hat einen Bescheid (PDF) zum "Free Stream"-Angebot von Provider A1 erlassen. Dieser dürfte für einige Beobachter überraschend ausgefallen sein. Die RTR kritisiert das Zusatzpaket zwar, fordert aber nur eine Anpassung ein. Diese verschärft jedoch eine andere Problematik, an der sich die Behörde allerdings nicht stört: das "Zero Rating".

RTR: Drosselung böse, ...

Bei "Free Streaming" handelt es sich um einen kostenlosen Zusatz für die mobilen Tarife A1 Go, M, L XL und Xcite L. Im Rahmen dieses Zusatzes können Kunden bestimmte Video- und Musikstreaming-Dienste verwenden, ohne dass der dadurch verursachte Datenverkehr vom Gesamtguthaben abgezogen würde. Allerdings wurde die Bandbreite dieser Anbieter seitens A1 laut den bisher gültigen AGB gedrosselt.

An diesem Punkt stört sich auch die RTR. Sie sieht in der Bandbreitenbeschränkung einen unzulässigen Eingriff via "Traffic Shaping" und somit einen Verstoß gegen die Netzneutralität. A1 wurde nun eine achtwöchige Frist eingeräumt, um die Drosselung aufzuheben.

... "Zero Rating" okay

Alle anderen Bestandteile von "Free Stream" hält man für vereinbar mit der Netzneutralität, somit auch das "Zero Rating". Dadurch versteht man die Besserstellung von bestimmten Anbietern beziehungsweise Services durch eine Nichtverrechnung von Datenvolumen, wie die RTR in ihrem Bescheid auch selbst ausführt. Weil dafür nach Ansicht des Regulators aber "keine technische Andersbehandlung des Datenstroms und auch kein Verkehrsmanagement" erfolge, sei das mit den Berec-Guidelines, die die Basis für die Definition der Netzneutralität in Europa bilden, nicht in Konflikt. Gegenüber dem STANDARD erklärte ein RTR-Vertreter, dass "Zero Rating" mit der Netzneutralität "in gewissem Ausmaß" vereinbar sei.

Um den Traffic von in "Free Stream" inkludierten Anbietern wie Netflix und Amazon Prime aber vom Datenverkehr anderer Services unterscheiden zu können, bedarf es jedoch sehr wohl einer Analyse. Für die korrekte Verrechnung muss zweifelsfrei festgestellt werden, woher die vom Nutzer empfangenen Daten stammen.

Der RTR-Entscheid könnte nun auch von anderen Providern als Basis für die Einführung ähnlicher Pakete dienen. A1 ist nicht der erste Betreiber, der ein Angebot lanciert, das von Netzneutralitätsverfechtern kritisiert wird. "3" erlaubt schon seit geraumer Zeit seinen Kunden eine Anmeldung beim Musikstreaming-Portal Spotify, dessen Datenverkehr dann ebenfalls nicht verrechnet wird.

RTR: "Zero Rating" kein Verstoß gegen Datengleichbehandlung

Der STANDARD hat zum RTR-Beschluss eine Anfrage lanciert und um Erklärung gebeten, wie sich das "gewisse Ausmaß" definiert und ab wann die RTR in einem "Zero Rating"-Angebot einen Verstoß gegen die Berec-Richtlinien erkennen würde, zumal die in "Free Streaming" inkludierten Anbieter nach der Aufhebung der Drosselung gegenüber anderen Diensten klar bevorteilt würden. Ebenso wurde nachgefragt, wie die RTR die zur Trennung bei der Abrechnung notwendige Analyse des Traffics der Nutzer einschätzt.

Die Behörde erklärt in ihrer Antwort, dass eine Verarbeitung von Verkehrsdaten bereits für den Datentransport selbst notwendig sei. Daher liege hier keine technische Andersbehandlung vor, da hierfür laut EU-Verordnung ein Eingriff bzw. Manipulation des Datenstroms erfolgen müsste. Die reine Beobachtung des Datenstroms zur Abrechnung des "Zero Ratings" erfülle diese Definition nicht.

Nachträgliches Vorgehen möglich

Weiters verweist man darauf, dass "Zero Rating" nicht grundsätzlich verboten und die Tarife einzeln zu prüfen seien. Zu beachten seien hier besonders "die möglichen Auswirkungen des Produktes" auf die Endkunden und Märkte. Die Praxis könne durchaus dazu führen, dass die Preise je GB Datenvolumen steigen, die Anzahl der Angebote mit hohem Datenvolumen sinkt und Kunden zunehmend zu "Zero Rating"-Tarifen greifen, was wiederum die dadurch bevorteilten Internetdienste weiter stärkt.

Allerdings endet die Bewertung eines Tarifs nicht mit der ersten Genehmigung. Bei "jedem 'Zero Rating'-Angebot, das eine gewisse Verbreitung erfährt", brauche es eine "begleitende Analyse und ein Monitoring", so die Stellungnahme weiter. Sollten "unerwünschte Effekte auf den Endkunden- und/oder Dienstemärkten" festgestellt werden, würde man "entsprechende Maßnahmen" ergreifen. Kurz: Die RTR könnte "Free Stream" auch im Nachhinein abdrehen, sollten sich die Befürchtungen der Kritiker bewahrheiten.

Der STANDARD hat eine weitere Stellungnahme erbeten. Denn die BEREC-Richtlinien (Punkt 41, PDF) sehen in Angeboten, bei denen nach Aufbrauch des Datenvolumens alle Dienste, bis auf jene im "Zero Rating" gedrosselt oder blockiert werden, einen Verstoß gegen die Netzneutralität. Sämtliche A1 Go-Tarife haben ein fixes Datenkontingent, nach dessen Verbrauch laut AGB alle "Datendienste" gesperrt werden. Da "Free Stream" mit dem Kontingent nicht abgerechnet wird, entsteht der Eindruck, dass dies auf die darin integrierten Dienste nicht zutrifft.

Die RTR verweist hierzu auf die Nutzungsbedingungen von "Free Stream", die festhalten, dass eine etwaige Drosselung oder Sperre nach Aufbrauch des Trafficvolumens auch für das Streaming-Paket gilt. Folglich liegt keine Verletzung der Richtlinien vor.

A1 erfreut über Bescheid

A1 zeigt sich in einer Reaktion zum Entscheid jedenfalls erfreut. Man sehe sich darin bestätigt, dass Kunden "Free Stream weiterhin uneingeschränkt und ohne Datenvolumen zu verbrauchen" nutzen könnten. Man müsse nur einen "für die Kunden sogar noch vorteilhafteren" Teilaspekt anpassen. Da man aber die Rechtsauffassung der RTR nicht teile, behalte man sich dennoch rechtliche Schritte gegen die Entscheidung vor. (gpi, 20.12.2017)

Update, 15:15 Uhr: Die RTR hat nun Antworten auf die STANDARD-Anfrage übermittelt. Der Artikel wurde entsprechend ergänzt.

Update, 15:45 Uhr: Es wurde eine weitere Anfrage übermittelt und der Artikel diesbezüglich erweitert.

Update, 16:15 Uhr: Die Antwort auf die zweite Anfrage wurde ergänzt.