Ein Kind wird geboren: Das ist jedes Mal wieder das banalste Wunder der Welt. Dass das alles überhaupt funktioniert, dass quasi aus dem Nichts ein Wesen mit Armen und Beinen und Charakter wächst, dass es unter Schmerzen auf die Welt kommt. Abermilliardenmal passiert. Trotzdem: im persönlichen Erleben so etwas wie eine Urgewalt und in seiner Natur vollkommen einzigartig. Auch damals, im Stall von Bethlehem, zur Unzeit. Jeder kennt die Weihnachtsgeschichte von Josef, Maria und dem kleinen Jesuskind.

Doch gerade diese Urgewalt ist es, vor der viele Schwangere in der westlichen Welt zunehmend Angst zu haben scheinen. Wer in Google "Geburt UND Komplikationen" eingibt, hat in 0,22 Sekunden 523.000 Ergebnisse. Einer Schwangeren, die sich auch nur die ersten 20 Links davon ansieht, wird himmelangst. Das ist auch ein Grund für die steigenden Kaiserschnittraten. Und eines ist sicher: Ein Kaiserschnitt reduziert die Risiken, für Mütter wie Kinder. Ist planbar, vorhersehbar und zumindest während der Geburt schmerzfrei.

Wer um alles in der Welt würde sich dagegen entscheiden? Planung und Risikominimierung sind doch Werte, die wir hochhalten. Zu vermeiden bei Fortpflanzung ist alles Riskante: Teenagerschwangerschaften zum Beispiel oder Hausgeburten, bei denen ja alles Mögliche passieren kann und nur die Hebamme mitatmet.

Insofern: Ja, Kaiserschnitt ist eine sichere Variante, und ja, er ist ein Beitrag, um die Kindersterblichkeit zu senken. Und darum geht es in einer Gesellschaft ganz unbestritten, vor allem deshalb, weil eine Durchschnittsfamilie, statistisch betrachtet, nur noch 1,4 Kinder bekommt.

Technisierte Fortpflanzungsmedizin

Ihr Kinderlein, kommet also, so muss die positive Triebfeder für die technisierte Fortpflanzungsmedizin lauten, die zunehmend eine Option wird. Der Geschlechtsakt selbst ist längst kein Thema mehr: Eine Eizelle, die zur Not auch eingefroren werden kann, um später verwendet zu werden, Spermien, ein Labor, Pipetten, Kühlschränke – so entstehen schon heute tausende Wunschkinder, etwa dann, wenn Paare aus medizinischen Gründen keine Kinder zeugen können oder Paare das gleiche Geschlecht haben und deshalb auf solche technologischen Fortschritte angewiesen sind. Wer wollte sich hier ein Urteil darüber erlauben, wer Kinder haben darf und wer nicht? Sogar die Frage, ob nicht eines Tages Männer ein Kind austragen könnten, wird von Experten der Fortpflanzungsmedizin diskutiert.

Wie auch die schwierige Frage, ab welcher Schwangerschaftswoche Frühgeburten am Leben erhalten werden sollen. Sensationell die Meldung eines amerikanischen Mädchens, das nach nur 21 Wochen und fünf Tagen im Bauch seiner Mutter mit knapp 500 Gramm auf die Welt kam und heute – fünf Jahre später – ohne gesundheitliche Einschränkungen lebt. Das macht die Technisierung auch möglich.

Die Kehrseite ist: Die archaische Urgewalt geht verloren. Beim Sex, bei der Geburt, vielleicht auch im Leben? Die Poster im STANDARD-Forum diskutieren das unter einem Interview zum Thema Kaiserschnitt höchst leidenschaftlich. Wer darf, wenn es ums Kinderkriegen und die neuen Möglichkeiten geht, Entscheidungshoheit beanspruchen? Was Kaiserschnitte betrifft, ist eines sicher: Der 24. Dezember als Wunschtermin für Geburten ist wenig ideal. (Karin Pollack, 22.12.2017)