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Ein südkoreanischer Beamter telefoniert in Panmunjeom mit einem nordkoreanischen Kollegen.

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Dieser südkoreanische Soldat telefonierte 2005 mit Nordkorea.

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Das vergangene Jahr war auf der Koreanischen Halbinsel das wohl besorgniserregendste seit langem: Kim Jong-un zündete nahezu wöchentlich Raketen aus seinem wachsenden Arsenal, US-Präsident Donald Trump drohte mit Krieg, Südkoreas Regierung schien zur Statistenrolle verdammt. Nun aber hat sich das innerkoreanische Blatt innerhalb weniger Tage gewendet: Zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren teilen die beiden Koreas wieder eine direkte Gesprächsleitung.

Nur 20 Minuten dauerte das Telefongespräch um 15.30 Uhr in Panmunjeom, dem symbolischen Friedensdorf an der Demarkationslinie, und bisher wurde laut Angaben aus Seoul nur über technische Angelegenheiten gesprochen. Spätestens in der nächsten Woche sollen aber handfeste Themen auf der Agenda stehen: Für den 9. Jänner nämlich hat Südkorea Gespräche auf hoher Ebene vorgeschlagen.

Mehr als Sportdiplomatie

Zunächst geht es dabei wohl um eine mögliche Teilnahme nordkoreanischer Athleten an den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang im Februar. Auf Nachfrage bestätigte eine Sprecherin des Vereinigungsministeriums jedoch, dass sich Seoul mehr als bloße Sportdiplomatie von dem erhofften Aufeinandertreffen verspricht. Diesem hat Nordkorea zwar bisher noch nicht zugesagt, jedoch auch am Mittwoch erneut guten Willen gezeigt: "Wir werden den Süden mit aufrichtiger und gewissenhafter Haltung kontaktieren", verkündete der hochrangige Parteikader Ri Son-kwon.

Vor allem Hardliner werten Kims Einlenken als ersten Erfolg der zuletzt immer rigideren Sanktionspolitik, die Nordkorea nun dazu zwinge, widerwillig an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Dennoch zeigt sich Washington wenig erfreut über die plötzliche Annäherung der beiden Nachbarstaaten. Allzu forsche Alleingänge der Regierung in Seoul würden schließlich die Politik Washingtons konterkarieren, das den Norden isolieren will. Vor allem werten die USA Pjöngjangs vermeintliche Annäherung als Versuch, einen Keil in die Allianz zwischen den USA und Südkorea zu treiben.

Tatsächlich erlaubt ein Blick ins Archiv nur wenig Hoffnung auf eine Normalisierung der innerkoreanischen Beziehungen: Nach der ebenfalls milden Neujahrsansprache Kim Jong-ils 2006 dauerte es kaum eine Woche, bis das Regime einen Kernwaffentest startete. Im Jahr zuvor schlug Südkorea ebenfalls nach freundlichen Tönen Gespräche ohne Vorbedingungen vor, was jedoch von Nordkorea schlicht ignoriert wurde.

Und dennoch scheinen die jüngsten Entwicklungen erfreulich. Seit Anfang 2016 gab es keinen inoffiziellen Gesprächskanal mehr, der einzige Austausch beschränkte sich de facto auf Relikte psychologischer Kriegsführung noch aus Zeiten des Kalten Krieges: Beide Koreas haben massive Lautsprecheranlagen entlang der verminten Grenze aufgestellt, um sich gegenseitig rund um die Uhr mit Propagandabotschaften zu beschallen.

Gefahr wächst mit Trump

Gleichzeitig jedoch hat sich zuletzt in diplomatischen Kreisen in Seoul der Eindruck verstärkt, dass unter US-Präsident Trump ein Krieg wahrscheinlicher denn je geworden sei. Die größte Gefahr gehe vor allem von Fehlkalkulationen und Missverständnissen aus, die sich schnell zum militärischen Konflikt hochschaukeln könnten. Umso wichtiger wird eine gemeinsame Hotline für den Ernstfall.

An den harten Themen dürften die sich anbahnenden Gespräche freilich keine Veränderungen herbeiführen, schließlich wird der Süden weder seine gemeinsam mit der US-Armee durchgeführten Militärmanöver einstellen noch die Sanktionen im Alleingang lockern. Nordkorea hingegen wird sein Atomprogramm nicht zur Verhandlung stellen. Bleiben zunächst vor allem humanitäre Projekte, etwa medizinische Hilfslieferungen.

Vor allem sportdiplomatisch bieten sich die größten Überschneidungen: Südkoreas Präsident Moon Jae-in möchte verhindern, dass die PR-Botschaft der bevorstehenden Winterspiele durch die Bedrohung von Pjöngjang vermiest wird. Dass nun Nordkorea seine zwei Eiskunstläufer in den Süden schicken möchte, ist für Moon eine symbolische Absicherung, dass der Konflikt nicht eskaliert. Für Nordkorea ist das Eisparkett ebenfalls eine effiziente Propagandabühne: Schließlich ist ein Medaillensieg einer der wenigen Anlässe, zu denen es vor seiner Bevölkerung Stärke und Macht vortäuschen kann, wo doch eigentlich Armut und Stagnation herrschen. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 3.1.2018)