Ein Hassposting gegen die ehemalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig könnte weltweite Konsequenzen für Facebook haben

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Ein Hassposting gegen die ehemalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig könnte Facebook dazu zwingen, aktiv nach derartigen Beiträgen zu suchen und diese weltweit zu löschen. Die Grünen und Glawischnig hatten schon 2016 ein Verfahren gegen das soziale Netzwerk angestrengt und eine einstweilige Verfügung erreicht: Facebook müsse dafür sorgen, dass ein beleidigender Beitrag über Glawischnig weltweit gesperrt wird. Die ehemalige Klubobfrau, die im Mai 2017 zurückgetreten ist, wurde darin etwa als "korrupter Trampel" und "miese Volksverräterin" beschimpft.

Juristisch gibt es mehrere Knackpunkte: Erstens stellte sich die Frage, ob Facebook wortgleiche und auch sinngleiche – also umformulierte – Beiträge sperren muss. Zweitens, ob entsprechende Beiträge nur in Österreich oder weltweit gelöscht werden müssen. Drittens ist fraglich, ob Facebook über Hasspostings in Kenntnis gesetzt werden muss oder selbst danach suchen muss. Das Verfahren landete vor dem Obersten Gerichtshof (OGH), der nun den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrief.

Filtersysteme

Dessen Urteil könnte Facebook global unter Druck setzen. Um "sinngleiche" Beiträge – also etwa umformulierte Beleidigungen – zu finden, müsste Facebook massive Ressourcen investieren. Dazu kommt die Frage, ob diese Postings "weltweit" oder "im jeweiligen Mitgliedsstaat" entfernt werden müssen.

Das Rekursgericht hatte Facebook zuvor eine Entfernung der wortgleichen Beiträge sowie jener Postings, über die Facebook von den Grünen informiert wurde, aufgetragen. Eine Untersagung sinngleicher Inhalte wurde aber abgelehnt. Dabei verwies das Gericht dennoch auf den "Einsatz technischer Hilfsmittel wie eines automationsunterstützten Filtersystems".

Glawischnig forderte "zu Recht" Unterlassung

Der OGH stellte nun in einem soeben veröffentlichten Vorlagebeschluss fest, dass Glawischnig "zu Recht" eine Unterlassung der Verbreitung jenes Hasspostings, das den Prozess ausgelöst hatte, gefordert hatte. Die Frage einer verpflichtenden Filterung lasse sich jedoch "aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH nicht eindeutig beantworten".

Denn in der EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr heißt es, dass Mitgliedsstaaten Anbietern von Diensten "keine allgemeine Verpflichtung" auferlegen, übermittelte oder gespeicherte Informationen zu überwachen oder aktiv nach Rechtswidrigkeiten zu suchen. Gleichzeitig können Mitgliedsstaaten von Dienstanbietern verlangen, eine "Sorgfaltspflicht" anzuwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern. Zur Klärung dieses vermeintlichen Widerspruchs wurde nun der EuGH angerufen.

EuGH-Urteil dürfte dauern

Die Rechtsanwältin Maria Windhager, die Eva Glawischnig vertritt (sie berät auch den STANDARD in medienrechtlichen Fragen), begrüßt die Entscheidung des OGH, "da einschlägige Judikatur zu den Anbietern sozialer Netzwerke fehlt". Allerdings bringe die Einschaltung des EuGH "eine erhebliche Verfahrensverzögerung mit sich". Bis zu einem Urteil des EuGH dürften mindestens eineinhalb Jahre vergehen. Anfragen bei Facebook und dessen Rechtsvertretung Wolf Theiss wurden kurzfristig nicht beantwortet.

Globale Konsequenzen

Das EuGH-Urteil zu der Causa könnte auch Konsequenzen für das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz haben. Es verpflichtet die Betreiber sozialer Medien, Meldungen über Hasspostings binnen 24 Stunden zu bearbeiten. Beiträge werden etwa auf Twitter nur in Deutschland gesperrt, österreichische Nutzer können diese weiterhin einsehen.

Der grüne Bundessprecher Werner Kogler nannte Facebook im Gespräch mit dem STANDARD die "größte Hassplattform weltweit". Die Grünen wollen "voraus schreiten für viele, die sich das nicht antun wollen". Es sei ein "allgemeiner Wohlstandsgewinn, wenn Rechtssicherheit in diesem Bereich besteht", so Kogler. Ein besonderes Anliegen sei den Grünen der Kampf gegen "rabiate, verabscheuungswürdige" Beiträge gegenüber Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen. Zur Frage der Prozessfinanzierung sagt Kogler, dass "einzelne Kampagnen" durchaus leistbar seien, Crowdfunding aber eine Möglichkeit sei. (Fabian Schmid, 11.1.2018)