Am Canal Saint-Martin in Paris, einem beliebten Ort zum Flanieren, sind Zelte zahlreicher Obdachloser zu sehen. Die meisten von ihnen sind Flüchtlinge.

Foto: AFP / Stephane de Sakutin

Das Thema ist heiß – so heiß, dass es Emmanuel Macron elegant an seinen Premierminister Edouard Philippe delegiert hat. Dieser hat Hilfsorganisationen am Donnerstag die Grundzüge des neuen Asylrechts präsentiert. Mit Applaus konnte er nicht rechnen, als er das frühere Wahlkampfcredo seines Vorgesetzten Macron wiederholte: "Die mit Anrecht auf Asyl schneller aufnehmen, die anderen schneller ausweisen."

Zu diesem Zweck will die Regierung in dem neuen Gesetz, das im April vor das Parlament kommen dürfte, die Behandlungsfristen ändern. Die Verwahrung zur Kontrolle des rechtmäßigen Aufenthalts soll von 16 auf 24 Stunden verlängert werden. Wer kein Asyl erhält oder keine gültigen Papiere vorweisen kann, kann nicht mehr nur 45, sondern 90 Tage in Abschiebehaft gehalten werden. Erst danach erfolgt die automatische Freilassung.

Identitätenprüfung in Asylquartieren

Gesetzeskraft erhält auch ein Rundschreiben des Innenministeriums von Dezember, das die Polizei ermächtigt, Asylunterkünfte zu betreten und dort die Identitäten zu prüfen. Empörte Flüchtlingshelfer verlangen den Verzicht darauf: "Wenn die Polizei in die Zentren eindringen kann, werden die Asylsuchenden fernbleiben und dann wieder wilde Lager wie in Calais aufziehen", prophezeit Florent Guéguen vom Verband solidarischer Akteure. Mit anderen Organisationen kündigte er am Donnerstag eine erste Beschwerde beim Staatsrat an, der die Vereinbarkeit von Gesetzen mit dem Völkerrecht kontrolliert.

Eine Zahl, die in Brüssel erst diese Woche bekannt geworden ist, wirkt da wie Öl ins Feuer: Im vergangenen Jahr sind in Frankreich erstmals knapp mehr als 100.000 Asylgesuche eingereicht worden. Die meisten kamen von Albanern, gefolgt von Afghanen und Haitianern. Viele von ihnen – mit Ausnahme der Afghanen – wären von der Novelle betroffen, gelten sie doch als Abkömmlinge eines "sicheren Staates" und haben damit keinen Asylanspruch.

Innenminister gegen NGOs

Hilfswerke geben zu bedenken, die Asylanträge wären immer noch lediglich halb so viele wie in Deutschland mit gut 200.000 Gesuchen. Innenminister Gérard Collomb entgegnet, Frankreich sei eines der wenigen Länder, wo die Asylgesuche im vergangenen Jahr noch zugenommen hätten, und zwar um 17 Prozent.

Wenn Frankreich immer mehr abgewiesene Gesuchsteller zwangsweise ausweise, dann auch wegen der starken Zunahme der Asylwerber und Migranten, meint Collomb. Hilfswerke führen dies eher darauf zurück, dass Frankreich weniger Asylgesuche als andere Länder genehmigt.

Die Staatsführung in Paris muss sich aber auch gegen Kritik von rechts wehren. Die konservativen Republikaner und der Front National werfen ihr vor, zwar das Gesetz zu verschärfen, aber kaum Mittel zur Umsetzung aufzuwenden. Über 90 Prozent der ausgewiesenen Migranten reisen oft schon am gleichen Tag nach Frankreich zurück.

Auch parteiinterne Kritik an Macron

Eingekeilt zwischen Linken und Rechten blickt Macron der Parlamentsdebatte über das neue Asylgesetz sorgenvoll entgegen. In seiner eigenen Partei "La République en marche" macht sich erstmals offen Kritik vonseiten humanitärer Abgeordneter breit. Wem auch immer der Präsident Konzessionen machen will – in jedem Fall muss er mit vehementem Einspruch von der Gegenseite rechnen. (Stefan Brändle aus Paris, 12.1.2018)