"Ist es eventuell Ihr Ziel, nationalistische Spannungen auf dem Balkan erneut aufflammen zu lassen und damit auch die Sicherheit und den Frieden in Europa zu gefährden?" Diese Frage hat das Linzer Zentrum der zeitgemäßen Initiativen (ZZI) Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) in einem offenen Brief gestellt. Das ZZI ist der bosniakischen Diaspora in Österreich zuzuordnen.

In Bosnien-Herzegowina bezeichnen sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung als Bosniaken, mehr als 30 Prozent bezeichnen sich als Serben und etwa 15 Prozent als Kroaten. Religion und die Zugehörigkeit zu einer Nationalität werden in Bosnien-Herzegowina gleichgesetzt – ähnlich macht das die Diaspora in Österreich. Fast alle Muslime bezeichnen sich als Bosniaken, orthodoxe Christen als Serben und katholische Bosnier als Kroaten.

Antithese zur FPÖ

Die ZZI schreibt an Strache: "Ihre Partei ist es, die stets behauptet, dass der Islam nicht zu Europa gehöre und diese Religion die Menschen radikalisiere. Daraus ist auch zu schließen, dass Sie kein großes Interesse an einem Friedensprozess auf dem Balkan haben können. Stellt Bosnien-Herzegowina doch genau die Antithese dessen dar, was Sie andauernd verbreiten. Denn die muslimische Bevölkerung hat dort über Jahrhunderte hinweg friedlich mit Menschen anderer Konfessionen zusammengelebt."

Die Reaktion der ZZI folgt nach dem außenpolitisch umstrittenen Besuch von Johann Gudenus, dem geschäftsführende Klubobmann der FPÖ, in Bosnien-Herzegowina einen Tag vor dem verfassungswidrigen Feiertag des bosnischen Landesteils Republika Srpska. Gudenus war auch einen Tag später, am 9. Jänner, bei der Feier des verfassungswidrigen Feiertags anwesend und nahm vom Präsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik, für sich und Strache einen Orden entgegen.

Separatistische Politik

Dodik verfolgt seit vielen Jahren eine separatistische Politik, er will die Unabhängigkeit der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina und letztlich einen gemeinsamen Staat mit Serbien, was allerdings von Serbien nicht unterstützt wird. Die Republika Srpska wurde vor dem Krieg im Jahr 1991 ausgerufen, während des Kriegs wurden dort Bosnier, die keine serbisch-orthodoxen Namen hatten, systematisch vertrieben und ermordet. Der völkische Nationalismus führte letztlich zu den Massakern rund um Srebrenica – dort fand der letzte Genozid in Europa statt, der sich 1995 gegen Menschen mit muslimischen Namen richtete.

Seit dem Krieg leben in sehr großer Mehrheit nur noch Menschen mit serbisch-orthodoxen Namen in der Republika Srpska. Bis heute verfolgen Nationalisten dort eine Politik der Homogenisierung – sie wollen nicht in einem gemeinsamen Staat mit Bosniaken und Kroaten leben.

Gemeinsamkeit Populismus

Die Republika Srpska wird im Ausland oft fälschlicherweise als "bosnische Serbenrepublik" bezeichnet. Es handelt sich aber lediglich um einen Namen zweier bosnischer Landesteile. In der Republika Srpska leben zudem auch andere Bosnier – und nicht nur Serben. Dodik vertritt als Präsident verfassungsgemäß all diese Bosnier.

Die populistische Führung der stärksten bosnisch-serbischen Partei, Dodiks SNSD, unterhält seit langer Zeit enge Kontakte zur FPÖ. Beide Parteien verfolgen eine ähnliche völkische Politik. Die FPÖ hat in der Vergangenheit zudem immer wieder die Unabhängigkeitsbestrebungen der Republika Srpska unterstützt. Nun tritt sie dafür ein, dass die Südtiroler die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen sollen. Analog dazu haben viele bosnische Serben die serbische Staatsbürgerschaft. In Südosteuropa führt die Tatsache, dass viele Bürger wegen ethnopolitischer Identitätskonzepte Staatsbürgerschaften von Nachbarstaaten haben, zu Einmischungen und Spannungen. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 15.1.2018)