Perris/Wien – Die Polizeibeamten in der US-Kleinstadt Perris dachten, dass das Mädchen erst zehn Jahre alt sei. So verwahrlost und unterernährt fanden sie die 17-Jährige am Montag, nachdem sie einen Notruf abgesetzt hatte. Am Telefon hatte der Teenager angegeben, es gerade geschafft zu haben, aus dem Haus seiner Eltern zu flüchten. Zwölf Geschwister seien noch in dem Gebäude – zum Teil an ihre Betten gefesselt.

Als die Polizisten das Haus im US-Bundesstaat Kalifornien betraten, fanden sie tatsächlich mehrere Kinder mit Ketten und Vorhängeschlössern in ihren Zimmern festgebunden vor. "Es waren dunkle und übel riechende Räumlichkeiten", gaben die Beamten in einer Stellungnahme an.

ORF

Die Eltern der Kinder, ein 57-jähriger Mann und eine 49-jährige Frau, konnten keine Erklärung für die Fesselungen der Kinder liefern. Sie wurden unter dem Verdacht der Folter und Gefährdung des Kindeswohls in Gewahrsam genommen. Eine Kaution von umgerechnet 7,4 Millionen Euro wurde festgesetzt.

Die Kinder im Alter von zwei bis 29 Jahren wurden in ein naheliegendes Krankenhaus gebracht. Sie waren alle verwahrlost und unterernährt. Sie werden noch lange Zeit psychologische Hilfe nötig haben. Angesichts der langen Phasen von "Hunger und Misshandlung" bedürften sie langfristig psychologischer und psychiatrischer Behandlung, sagte die Leiterin der Abteilung für die Behandlung von Missbrauchsopfern an den Kliniken der Riverside University, Sophia Grant, am Dienstag.

Mark Uffer, Leiter des Regionalkrankenhauses von Corona, wo die erwachsenen Opfer aus dem Haus behandelt wurden, bezeichnete den Zustand der Patienten als "stabil". "Ich glaube, sie sind hoffnungsvoll, dass ihr Leben nach diesem Vorfall besser wird." Sie seien jetzt in einer "sehr sicheren und geschützten Umgebung".

Die 13 Kinder wurden in diesem Haus gefangen gehalten.
Foto: APA/AFP/BILL WECHTER

Die genauen Hintergründe sind noch unklar. Fest steht, dass die Kinder offenbar zu Hause unterrichtet wurden. Laut "Los Angeles Times" war das Haus seit März 2011 auch als private Schule eingetragen, der Vater wurde als Direktor geführt. Sechs Kinder unterschiedlichen Alters waren als Schüler angegeben. Laut behördlichen Aufzeichnungen war die Schule als nichtreligiöse Institution eingetragen.

Zweimal Privatkonkurs

Die Familie wohnte bereits seit mehreren Jahren in der Siedlung in Perris. Sie war aus Texas nach Kalifornien gezogen. Zweimal hatte der Vater bereits Privatkonkurs beantragt, zuletzt im Jahr 2011. Zu diesem Zeitpunkt war er als Ingenieur bei dem Luftfahrt- und Rüstungstechnikunternehmen Northrop Grumman angestellt. Er verdiente mehr als 140.000 Dollar im Jahr (rund 9.600 Euro im Monat). Laut Medienberichten überstiegen die Ausgaben für die Familie aber sein Einkommen um mehr als 1.000 Dollar (800 Euro) im Monat.

Die Eltern des Vaters sagten ABC News, dass sie "überrascht und schockiert" seien. Sie hätten zwar gewusst, dass ihre Enkelkinder zu Hause unterrichtet werden, aber seit vier oder fünf Jahren keinen persönlichen Kontakt mehr zu ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter gehabt.

Auf der Facebook-Seite der Familie sind mehrere Fotos der Eltern mit den Kindern zu sehen. Auf allen Bildern wirkt die Familie glücklich. Mehrere öffentlich zugängliche Fotos zeigen die Erneuerung des Ehegelübdes der Eltern im Jahr 2016.

Auch in der Nachbarschaft fiel die Familie nicht sonderlich auf. Ein Nachbar sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Eltern "der Typ Mensch waren, über die man nicht wirklich etwas herausfinden konnte". Eine Frau, die gegenüber der Familie wohnt, erzählte der "Los Angeles Times", dass sie sich gewundert habe, dass die Kinder nie zum Spielen aus dem Haus gekommen seien.

Der Fall der kalifornischen Familie erinnert an den Fall Josef F., der über 24 Jahre hinweg im niederösterreichischen Amstetten seine Tochter vergewaltigt und so sieben Kinder mit ihr gezeugt hat. Die Verbrechen kamen 2008 an die Öffentlichkeit, als eines der Kinder ins Krankenhaus musste und es der Tochter gelang, die Behörden zu alarmieren.

Mittlerweile verbüßt Josef F. eine lebenslange Haftstrafe. Er ließ erst im vergangenen Jahr seinen Nachnamen auf Mayrhoff ändern. Seine Tochter und ihre Kinder leben mit neuen Identitäten in Österreich. (bbl, 16.1.2018)