Oslo/Wien – Im 14. Jahrhundert war die Beulenpest für eine der schrecklichsten Pandemien verantwortlich, die jemals auf diesem Planeten wüteten: Allein in Europa fielen von 1347 bis 1351 geschätzte 25 Millionen Menschen – rund ein Drittel der damaligen Bevölkerung – dem Schwarzen Tod zum Opfer. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts brach die Pest in Europa dann immer wieder aus, blieb freilich meist auf kleine Regionen beschränkt.

Ratten als Hauptverdächtige

Wie aber verbreitete sich die Epidemie? Bisher ging die Forschung davon aus, dass Ratten in Europa für mehr als vier Jahrhunderte das natürliche Reservoir für das Pestbakterium in dieser Zeit waren. Über die Nager und ihre Flöhe seien die Erreger übertragen worden.

Doch diese Annahme bringt nun ein Forscherteam um Katharine Dean (Uni Oslo) gehörig ins Wanken – und liefert quasi einen Freispruch für die Ratten. Zwar wurde die Pest bei späteren Seuchen wie der Epidemie in China im 19. Jahrhundert tatsächlich vorwiegend von Ratten und Rattenflöhen übertragen. Aber ausgerechnet bei der schlimmsten Pestepidemie der Geschichte dürften die wahren Schuldigen eher unmittelbare Bewohner des mittelalterlichen Menschen gewesen sein.

Typische Ausbreitungsmuster

Wie aber gelangten die Forscher zu ihrer Entlastung der Ratten?

Für ihre neue Studie im Fachblatt "PNAS" haben Dean und ihre Kollegen den Verlauf von neun Pestausbrüchen im Mittelalter näher untersucht. In einem Modell verglichen sie die Fallzahlen und das Muster der Ausbreitung mit den Verläufen bei Übertragung durch Ratten und deren Flöhe, durch Menschenflöhe und Kleiderläuse oder aber durch direkte Mensch-zu-Mensch-Übertragung.

Flöhe waren im Mittelalter die Hauptüberträger des Pesterregers.
Foto: Amedeo John Engel Terzi / Wellcome Images, gemeinfrei

Das Resultat der Simulationen war recht eindeutig: Eine Übertragung durch Menschenflöhe und Läuse passt besser ins Bild als eine Verbreitung der Pest durch Ratten und Rattenflöhe: Zumindest sieben der neun Ausbrüche und ihre Muster können durch das Szenario mit den menschlichen Ektoparasiten am besten erklärt werden. Zudem gehen die Forscher davon aus, dass die klimatischen Bedingungen für Ratten damals alles andere als ideal waren.

Ideale Brutstätten für Blutsauger

Die beengten und unhygienischen Bedingungen sowie die meist von der Familie gemeinsam genutzten Strohlager boten im Mittelalter hingegen ideale Brutstätten für die damals massenhaft verbreiteten Blutsauger. So konnten die Flöhe und Läuse leicht von einer Person zur nächsten gelangen und für die immer neue Ausbreitung sorgen.

Erst als sich später die hygienischen Bedingungen verbesserten, traten Läuse und Menschenflöhe als Vektoren in den Hintergrund – und die noch immer weit verbreiteten Ratten und ihre Rattenflöhe übernahmen ihre Rolle. (tasch, 21.1.2018)