Seit 2005 hat sich die Zahl der Veganer und Vegetarier in Österreich auf rund sechs Prozent fast verdoppelt. Auf großen Messen spiegelt sich das noch nicht ganz.

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"Weißwurstpralinen, Weißwurstpralinen!", "Probieren Sie holländischen Gouda!", "Ein Schaf aus Nordrhein-Westfalen erkennt man am glänzenden Fell!"

Rund 400.000 Besucher schlängeln sich auch heuer wieder durch die "Grüne Woche" in Berlin, ihres Zeichens weltgrößte Agrarmesse. Der Andrang ist groß, es gibt viel zu kosten. Neben Pensionistengruppen mit Trolleys, die mit Käse und Wurst beladen sind, schieben sich Vertreter der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie durch die Besuchermassen.

Inmitten der Menschenmenge stehen der Berliner Bürgermeister Michael Müller und der deutsche Agrarminister Christian Schmidt. Die Politiker gehen von Halle zu Halle, überall werden Hände geschüttelt, da ein Schluck Wein getrunken, dort ein Schnaps.

Fress- und Saufmesse

Beim Trinken sind die Politiker nicht alleine: Bereits um neun Uhr zapfen viele der rund 1600 Aussteller Bier. Die Veranstaltung wird von Besuchern nicht umsonst "die größte Fress- und Saufmesse der Welt" genannt. Aber nicht alle sind zum Trinken angereist: "Wir machen keinen Sauftourismus", erzählen zwei Unternehmer aus Dresden. Sie wollen sich auf der Messe über neue Food-Trends informieren.

Auch Österreich ist mit Käse, Speck und Kren vertreten. Davon soll mehr verkauft werden. "Ohne Exporte wäre die österreichische Landwirtschaft nicht überlebensfähig", sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger im Rahmen der Eröffnung. Chancen dafür sehe man etwa in Freihandelsabkommen, wie dem geplanten zwischen der EU und Japan.

Großes Thema ist auch die Lebensmittelkennzeichnung. Diese soll jedoch nicht – wie zunächst vorgeschlagen – verpflichtend eingeführt werden, sondern nur dort, "wo sich der Kunde nicht aussuchen kann, wo er hingeht" – etwa in Spitälern oder Kindergärten. Die Gastronomie müsse man hingegen "nicht bevormunden", meinte Landwirtschaftskammer-Präsident Hermann Schultes.

Russland wieder dabei

Viele Gäste reisen extra für die Messe an, allein aus Deutschland werden 2000 Reisebusse erwartet. "Wir kommen jedes Jahr aus Bayern her", sagt ein älterer Herr und beißt in sein Eis. "Es fühlt sich an wie Urlaub." Die Besucher können sich in 26 Hallen durch 66 Länder kosten. Nur einen Meter neben mexikanischem Tequila werden indische Samosa verkauft, am Marokko-Stand wird Couscous angepriesen. Auch Russland ist bei der 83. Auflage der Messe dabei, das Land war wegen des Ukraine-Konflikts zwei Jahre lang ferngeblieben. Nun präsentiert es sich mit vielen Flaggen, Wodka und aus Mammutknochen geschnitzten Figuren.

Auch andere Länder versuchen sich im besten Licht darzustellen. Es wird gestrahlt, verkostet und verkauft. In einer Kakophonie aus Volksliedern, Trompeten und Blaskapellen preisen die Verkäufer ihre Waren an. Insgesamt erwirtschaften die Aussteller in den zehn Messetagen einen Umsatz von 48 Millionen Euro, jeder Gast gibt im Schnitt 127 Euro aus.

"Ungefähr jeder Dritte kauft etwas", erzählt ein Goudaproduzent, der Käse mit Zahnstochern verteilt. Der Niederländer gibt pro Jahr rund 9000 Euro für die Präsentation auf der Messe aus. Ob sich das Geschäft rentiert? "Leicht", meint der Verkäufer. Er sei vor allem an Großaufträgen des Lebensmitteleinzelhandels interessiert.

"Wir gehen durch fast alle Hallen", erzählt ein Besucher, der sich um zehn Uhr gerade sein drittes Glas Bier bestellt. "Außer durch die ökologischen und gesunden, die sind nicht so toll."

Das spiegelt auch das Bild in eben diesen Hallen wider. Dort finden Besucher zwischen Gemüse zum Selberpflanzen, Urban-Gardening-Initiativen und Informationen über Insekten als Proteinquelle ein bisschen Ruhe.

Verschwendung und Hunger

Etwas deplatziert wirken angesichts der schmatzenden und trinkenden Besucher Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung und Broschüren über eine Welt ohne Hunger.

Außerhalb des Trubels versuchen Umwelt- und Bürgerrechtsorganisationen auf unfaire Produktionsverhältnisse und Preisdumping in der Landwirtschaft aufmerksam zu machen. Aber auch auf der Messe mangelt es nicht an Kritik: Für die 5000 ausgestellten Tiere – vom Ferkel bis zum Riesenhasen – sei die Messe "stress pur", sagt ein Landwirt.

Diese Kritik teilt wohl auch die Umweltorganisation Greenpeace, sie befestigte am Funkturm des Messegeländes ein Plakat mit dem Spruch "Lasst die Sau raus!", um für bessere Bedingungen in Ställen zu protestieren. (Nora Laufer aus Berlin, 20.1.2018)