Wien/Lyon – Paul Bocuse hatte wahrscheinlich nicht nur ob seiner großartigen Kochkünste viele Bewunderer. Er lebte auch sonst ein eher unkonventionelles Leben, um das ihn viele beneideten. Zu seinem 80. Geburtstag verkündete der französische Spitzenkoch, dass er seit vielen Jahren mit drei Frauen gleichzeitig zusammenlebe. Eine seiner Frauen war Ehefrau Raymonde, die anderen beiden waren seine Geliebten. Er war aber bereits vor diesem Geständnis eher ein wilder Popstar mit Kochlöffel, als ein verkopfter Küchenchef. Darüber konnten auch die schneeweiße Kochjacke mit Tricolore-Kragen und die hohe Kochmütze nicht hinwegtäuschen.

Er war einer der berühmtesten Köche der Welt – nun ist Paul Bocuse im Alter von 91 Jahren gestorben.
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Der am 11. Februar 1926 in Collonges-au-Mont-d’Or geborene Bocuse verließ das Gymnasium ohne Abschluss, um eine Kochlehre in einem Schwarzmarktrestaurant in Lyon zu beginnen. Als der zweite Weltkrieg vorbei war, schloss er seine Lehre ab, und arbeitete in unterschiedlichen Restaurants in Lyon und Paris. Sechs Jahre lang kochte Bocuse im Drei-Sternerestaurant "La Pyramide" in Vienne bei Lyon an der Seite von Fernand Point, bevor er 1956 in den Familienbetrieb nach Collonges-au-Mont-d’Or zurückkehrte. Nur drei Jahre danach starb sein Vater und Bocuse baute den elterlichen Betrieb um. Sein Restaurant "L’Auberge du Pont de Collonges" erhielt kurz darauf den ersten Michelin-Stern. Seit 1965 hielt Bocuse ohne Unterbrechung drei Michelin-Sterne. Viele bekannte Köche gingen durch die Schule des Meisters. Auch Eckart Witzigmann kochte bei Bocuse und erhielt wie sein Lehrmeister vom Restaurantführer Gault&Millau die Auszeichnung "Koch des Jahrhunderts" verliehen. Für die Franzosen war Bocuse aber mehr als ein gefeierter Spitzenkoch. Er war ein Nationalheld, ein Querdenker, ein Heiliger.

Die Grande Nation trauert um Paul Bocuse.
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Der Papst der französischen Küche, wie er oft genannt wurde, hielt vor allem die bodenständige Küche mit den besten Produkten hoch. Das machte er auch in seinem 1990 erschienenen Buch Cuisine de France deutlich, in dem er dazu aufrief, mit frischen regionalen und saisonalen Produkten zu kochen. Das bedeutete keineswegs, gesund zu kochen. Vielmehr ging es darum, keine Convenience-Produkte in der Küche zu verwenden. Butter durfte hingegen bei Bocuse niemals fehlen. Schließlich sei er Koch und kein Arzt, wie er gerne zu sagen pflegte. Eines seiner berühmtesten Gerichte ist bis heute die "La soupe aux Truffes V.G.E.", die er 1975 für den französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing kochte, als dieser ihn zum Ritter der Ehrenlegion erhob. Die schwarze Trüffelsuppe mit Gänsestopfleber, Hühnerbruststücken, Champignons und Gemüse ist seither weltbekannt und steht noch heute auf der Speisekarte seines Restaurants.

Ein Orden von Valéry Giscard d’Estaing.

Bei offiziellen Terminen trug er stets seinen Orden als "Bester Arbeiter Frankreichs", den er 1961 erhielt. Seine Kochmütze trug er mit Stolz. Darunter verbarg sich ein Genießer, ein Ausnahmetalent, ein Marketinggenie. Als einer der ersten Köche verließ er auch die Küche, um mit Gästen im Restaurant zu sprechen. Das verwunderte Kollegen wie Gäste gleichermaßen. Für ihn war das, was auf dem Teller lag, nur ein kleiner Teil des Gesamterlebnisses. Bocuse schätzte einmal selbst, dass rund 80 Prozent Ambiente, Service und Inszenierung ausmachen und 20 Prozent das Essen.

Restaurant-Imperium

Er betrieb mehr als 20 Restaurants, darunter einige in Japan und eines in Walt Disney World in Orlando. Unzählige Produkte wie Champagner, Marmeladen und Terrinen mit dem Bocuse-Label verkaufen sich heute weltweit. Neben dem internationalen Kochwettbewerb Bocuse d’Or, der seit 1987 alle zwei Jahre in Lyon stattfindet, gründete er 2008 ganz in der Nähe das "Paul Bocuse Institut für Hotellerie und kulinarische Kunst". Dazu gehört auch eine Forschungseinrichtung, die sich unter anderem mit gesunder Ernährung beschäftigt. Seine Gerichte, seine Bücher, seine Restaurants und sein gallischer Hahn, eine Tätowierung am Oberarm aus Armeezeiten, werden vielen in Erinnerung bleiben. Der unkonventionelle und von vielen verehrte Spitzenkoch ist am Samstag gestorben. Paul Bocuse wurde 91 Jahre alt. (Alex Stranig, 20.1.2018)

Das Restaurant "L'auberge du Pont de Collonges" in Collonges-au-Mont-d’Or in der Nähe von Lyon.
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