Berlin – Der Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia ist das düsterste Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte. Wie sehr bestimmt unsere koloniale Vergangenheit noch heute Politik und Gesellschaft? Wo wirken frühere Machtstrukturen fort? Diesen Fragen will die Berliner Akademie der Künste dieses Jahr in einem Themenschwerpunkt nachgehen.

Bei drei großen Symposien sollen in Vorträgen, Diskussionen, Workshops und künstlerischen Arbeiten die blinden Flecken der kolonialen Geschichte benannt werden. Die erste Konferenz widmet sich am Freitag und Samstag (26./27. Jänner) Rechts- und Völkerrechtsthemen. Mitveranstalter ist die Bundeszentrale für Politische Bildung.

"Nur wenn wir uns selbstkritisch mit unserer eigenen Geschichte auseinandersetzen, gibt es auch die Chance, belastbare Zukunftsperspektiven zu entwickeln", sagte Akademie-Programmleiter Johannes Odenthal. "Es darf nicht darum gehen, dem "armen Afrika" Entwicklungshilfe zu geben, nur damit weniger Flüchtlinge zu uns kommen. Es geht darum, ein neues Verhältnis, einen gleichberechtigten Dialog zu entwickeln."

Ausbleibende Reparationen

Im ersten Themenblock versuchen internationale Experten unter Leitung des Menschenrechtsanwalts Wolfgang Kaleck zu klären, warum die Europäer sich immer noch so schwer tun mit der Aufarbeitung kolonialer Verbrechen. So bezeichnete Deutschland die brutale Niederschlagung des Herero-Aufstands zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals 2015 offen als Völkermord. Reparationen hat es bisher nicht gegeben.

Kernpunkt der Debatte ist nach Einschätzung von Odenthal die Interpretation der Menschenrechte, die von den Kolonialherrschern bei ihren Eroberungszügen nur zu ihren eigenen Zwecken ausgelegt wurden. "Gilt der Zugang zu sauberem Wasser, zu Krankenhäusern, zu Wohlstand nur für die Menschen hier oder universell?", fragt Odenthal. "Wo ziehen wir da die Grenze?"

Bei einem zweiten Symposium am 26./27. Mai geht es unter Leitung der deutsch-ghanaischen Kulturwissenschafterin Nana Adusei-Poku um Entwürfe, wie Identität unabhängig von Hautfarbe, sexueller Orientierung, Religion und sozialem Status entwickelt werden kann.

Postkoloniale Zukunft

Bei einem dritten Themenschwerpunkt will die indische Wissenschafterin Nikita Dhawan zusammen mit namhaften internationalen Experten "planetarische Utopien" entwickeln – Ansätze für eine wirklich postkoloniale Zukunft. Auch die legendäre US-Bürgerrechtlerin Angela Davis hat ihre Teilnahme an einer Diskussionsrunde zugesagt.

Das Kolonialismusthema hat nach Ansicht der Akademie durch den Flüchtlingszuzug und den wieder erstarkenden Rassismus in Deutschland besondere Brisanz bekommen. Ziel sei, auch über die Symposien hinaus einen Denk- und Diskussionsprozess anzuregen, sagte Odenthal. "Jede Institution muss sich mit diesem Thema beschäftigen und die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren." (Nada Weigelt/dpa, red, 25.1.2018)