Rainhard Fendrich kann sich als Vater gegen die oft trotzig-chauvinistische Rezeption von "I am from Austria" nicht wehren. Das Kind geht längst seinen eigenen Weg.

Text und Musik: Rainhard Fendrich, Leadsheet: Franz Gratzer

Der derzeitige Vizekanzler der Republik Österreich hat nach seiner Vereidigung versprochen, die Verfassung des Landes, für das er arbeiten soll, in einem seiner nicht wirklich zwingend zentralen Punkte zu beachten. Im Gegensatz zu früheren mannhaften Beteuerungen tut er bei offiziellen Veranstaltungen eines: Er weicht von Volks-Rock- ’n’-Roller Andreas Gabalier ab und singt die Bundeshymne nun doch in der neuen Fassung: "Erinnerung ist nur a Reifenspur im Sand..." Entschuldigung: "Heimat großer Töchter und Söhne / Volk, begnadet für das Schöne..."

Ob diese Fassung auch in die selbst in nicht übertrieben feinfühligen Regierungskreisen zart umstrittenen Liedersammlung einer germano-austriakischen Burschenschaft Eingang finden wird, bleibt fraglich. Sollte das trotzdem einmal der Fall sein, kann man seine eigene Burschischaft wegen dieses linken Meinungsdiktats ja kurz einmal demonstrativ "ruhen lassen". Wenn dann Kehraus ist, wird man von der Reinigungskraft eh verlässlich aufgeweckt werden. Ui, wir sind ja laut Verfassungsbogen eine eigene Nation!

"Mutig in die neuen Zeiten / Frei und gläubig sieh uns schreiten / Arbeitsfroh und hoffnungsreich / Einig lass in Brüderchören / Vaterland, dir Treue schwören / Vielgeliebtes Österreich / Vielgeliebtes Österreich."

Die Zukunft erscheint uns so strahlend, dass wir am besten Sonnenbrillen aufsetzen. Hierzulande, und das ist die Lage des Landes, ging es immer schon bergab. Hoffnungsfroh und arbeitsreich? Die Flagge dieser Nation ist und bleibt rot-weiß-rot. Kleinkariert auf Tischtuchgröße. Gut geeignet für eine zünftige Jause darauf im original-alpinen Zirbenstüberl vom in Schwellenländern produzierenden Möbelriesen aus Steueroasien. Im Gegensatz zur Hymne, einem feierlich-getragenen Preislied, das neben den Ländern dieser Welt etwa auch die britische Königin, einen japanischen Mittelklassewagen, den Singkreis Unterprambachkirchen oder Coca-Cola zum Inhalt haben kann, sei an dieser Stelle das Attwenger-Lied "Kaklakariada" erwähnt. Den Text dazu kann man hier nicht abdrucken. Braune Kacke reimt sich darin auf Landesflagge. Man kann das gugeln. Es zahlt sich aus.

Immer wieder Österreich

Land der Berge, Land am Strome, so viel steht abseits der Söhnetöchter-Debatte fest, ist nicht die wahre Hymne, mit der wir unsere Heimatverbundenheit bekunden. Nicht einmal der hiesige Fußballer oder Skirennläufer kann sie textlich immer ganz firm und melodiensicher mitmaulen. Und diese Leute hören die Hymne regelmäßig! Oder zumindest dann, wenn Doppelstaatsbürger Marcel Hirscher mitfährt. Weniger oft gehört: das unterkomplexe "Immer wieder Österreich!"

Das führt zu den wesentlicheren österreichischen Bundeshymnen und weg von unserer Opferrolle. Von wegen: "Hast seit frühen Ahnentagen / Hoher Sendung Last getragen / Vielgeprüftes Österreich / Vielgeprüftes Österreich..." Apropos Schifoan. Neben Georg Danzers und Wolfgang Ambros’ Befindlichkeitshymne "A Gulasch und a Seidl Bier" ("A Gulasch und a Seidl Bier / Das is ein Lebenselexier bei mir / Des taugt ma und wia. / I steh so wahnsinnig auf des/ Dass i mas oft in Kreislauf press / Jawohl. Jawohl...") drückt kaum ein Lied jüngeren Datums das Lebensgefühl der letzten Wohlstandsgeneration derart präzise aus wie "Schifoan".

Alle, die sich jetzt unter dem Wappentier der Schneekanone bereitmachen, als letzte Profiteure die Früchte eines gesicherten Pensionssystems zu genießen, haben zumindest einmal in ihrem Leben das dieses Land vom Gemüt her konstituierende "Schifoan" von Ambros aus dem Jahr 1977 laut mitgesungen, sei es im Skizirkus von Kitzbühel, auf dem Donauinselfest oder im Stau vor dem Katschbergtunnel: "Am Freitag auf’d Nocht montier’ i die Schi / Auf mei Auto und dann begib i mi / In’s Stubaital oder noch Zell am See / Weil durt auf die Berg ob’m ham’s immer an leiwaund’n Schnee..."

Auf den Pisten des Kitzbüheler Skigebiets stehen übrigens mehr als 200 Schneekanonen herum. Unsere wunderschöne Natur ist zu unberechenbar. Der Bergsee, auf dem früher Hansi Hinterseer jährlich oben am Hahnenkamm für seine Jünger und nicht mehr ganz so Jungen über das Wasser wandelte, ist künstlich angelegt. Er dient als Munitionslager für die winterlichen Wunderwaffen.

Neben dem obligaten Jägertee als Treibstoff für die Nutznießer des alpinen Artilleriebeschusses wird in dieser inoffiziellen Bundeshymne auch ein weiterer wichtiger Charakterzug erwähnt, das Obezahn. Unten "An der schöne blauen Donau" ist der Dienstag auch noch ein Tag – und die Arbeit rennt einem ja nicht davon. Vor Ostern wird sich das alles sowieso nicht mehr ausgehen: "Am Sonntag auf’d Nacht montier’ i die Schi / Auf mei’ Auto, aber dann überkommt’s mi / Und i schau’ no amoi aufe und denk’ ma ,aber wo‘ / I foar’ no ned z’Haus i bleib’ am Montag a no do."

Der "Donauwalzer" und das hierzulande wenig bekannte Edelweiß aus "The Sound of Music" mögen touristisch nach außen strahlen. Neben "Schifoan" präzisiert aber nur noch ein weiteres inoffizielles Heimatlied der Popkultur unsere geistige Verfassung mehr, als es dem Land der Berge lieb sein kann.

"I am from Austria"

Rainhard Fendrich hat es angesichts der Waldheim-Affäre 1989 geschrieben. Es wurde mehrfach in irgendwelchen Umfragen zum besten österreichischen Song aller Zeiten gewählt. Und ähnlich wie etwa Bruce Springsteens "Born in the USA" fünf Jahre zuvor 1984 wird die zumindest melodiös dem zart-selbstmitleidigen Durchhaltepathos zugeneigte Komposition gern missverstanden.

Jeder nimmt immer nur den einen Refrain bewusst wahr ("Immer wieder Österreich!", das Syndrom). Während der insgesamt nur zwei Strophen macht man sich dann ein Speckbrot und steckt ein rot-weiß-rotes Fahnderl hinein. Rainhard Fendrich kann sich als Vater gegen die oft trotzig-chauvinistische Rezeption von "I am from Austria" nicht wehren. Das Kind geht längst seinen eigenen Weg. Obwohl genaues Hinhören lohnt:

"Dei’ hohe Zeit ist lang vorüber / Und auch die Höll’ hast hinter dir / Vom Ruhm und Glanz ist wenig über / Sag’ mir, wer zieht noch den Hut vor dir / Außer mir/ I kenn’ die Leut’ / I kenn’ die Ratten, die Dummheit / die zum Himmel schreit / I steh’ zu dir bei Licht und Schatten / jederzeit."

Gletscher, Eisschmelze ohne Kunstschnee, Apfel, Stamm, alles bekannt. Schließlich reißt der Himmel über dem Großglockner auf und: "So wie dein Wasser talwärts rinnt / unwiderstehlich und so hell / fast wie die Tränen von an Kind / wird auch mein Blut auf einmal schnell / sag’ ich am End’ der Welt voll Stolz / und wenn ihr a wollt’s / auch ganz alla / I am from Austria / I am from Austria."

Früher ist das Lied immer nach der Wienlandung einer Maschine Niki Laudas gespielt worden, bevor man von Bord hinaus ins vielgeliebte Österreich tanzte. Wieder einmal ist gerade noch einmal alles gutgegangen. Vielgeprüftes Österreich. Das Erste, das einem beim Betreten der Heimat übrigens auffällt: Hier sind alle immer so grantig. Am Schluss der Gegenchor von Thomas Bernhard: "Wenn man die Gemeinheit der Bewohner mit der Schönheit der Landschaft verrechnet, kommt man auf Selbstmord." (Christian Schachinger, 26.1.2018)