New York / Wien – Selbstbeweihräucherung und Symbolpolitik. Wollte man die Show zu den 60. Grammy Awards in zwei Worte fassen, die beiden drängten sich auf. Wobei die Selbstbeweihräucherung ohnehin ein Standbein dieser Auszeichnungsshow der Musikwirtschaft ist. Das ist nichts Neues bei dem jährlich wiederkehrenden Ritual. Die Musikverlage würdigen ihre Cashcows und bringen jene in Stellung, auf denen die Hoffnungen ruhen, die nächsten großen Geldbringer zu werden.
In 84 Kategorien werden diese Auszeichnungen vergeben. Da wurde in den letzten Jahren deutlich abgespeckt, das waren schon einmal weit über hundert an den Haaren herbeigezogene Sparten, für die ein goldenes Grammophon vergeben wurde.
Bei den in der Nacht auf Montag im New Yorker Madison Square Garden vergebenen Awards räumte Bruno Mars ab. Sechs Edelstaubfänger durfte der 32-jährige US-Musiker in Empfang nehmen, darunter für das beste Album (24K Magic), die beste Aufnahme und das beste Lied des Jahres (That's What I Like).
You Want It Darker des verstorbenen Leonard Cohen wurde von den Musikexperten der Grammys als "beste Rock-Performance" gedeutet. Das illustriert schön die irrwitzige Biegbarkeit der Veranstaltung. Im kommerziell wichtigen Hip-Hop musste sich Kendrick Lamar über fünf Preise freuen, Kollege Jay-Z ging dafür leer aus.
Der Vorarlberger Dirigent Manfred Honeck erhielt mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra einen Grammy für die "Beste Orchesterperformance". Ausgezeichnet wurde Honeck für die 5. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch sowie das Adagio von Samuel Barber. Ein vom aus Oberösterreich stammenden Hans Graf dirigierter Wozzeck wurde beste Operneinspielung. In der Sparte Dance-/Electronic erhielten die deutschen Elektronikpioniere Kraftwerk eine Auszeichnung für 3-D The Catalogue. Das beste "Alternative Music Album" wurde mit Sleep Well Beast von The National gefunden, das beste Rockalbum im lauwarmen Geplätscher von A Deeper Understanding der Band The War On Drugs festgemacht.
Brave Empörung und Müll
Ähnlich sicher wie in der Preisvergabe wirkte die Veranstaltung mit ihren politischen Statements. Diese sind nicht gern gesehen, will man doch kein Publikum vergraulen. Doch zwingen US-Präsident Donald Trump und die #MeToo-Debatte sogar seichten Wässerchen eine Positionierung ab. Was in der Kunst schon nur wenigen gelingt, wirkte auch während der Show ungelenk. Lady Gaga entleibte sich ein verhaltenes "Time's up!" aus der Brandrede, die die Entertainerin Oprah Winfrey jüngst bei den Golden Globes gehalten hatte. Aus Solidarität trugen viele Gäste weiße Rosen auf schwarzem Tuch. Doch die Statements zur Sache waren im besten Fall brav einstudiert.
Überraschender: Hillary Clinton, Rapperin Cardi B, John Legend, Cher und Snoop Dogg lasen in Zuspielern aus dem Enthüllungsbuch Fire and Fury von Michael Wolff, das das Chaos im Weißen Haus unter Donald Trump beschreibt. Die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, reagierte prompt, war menschlich enttäuscht und sprach von Müll. Ob sie damit die Grammys oder den Mann im Weißen Haus gemeint hat, war ihrem Tweet nicht eindeutig zu entnehmen. (Karl Fluch, 29.1.2018)