Was die Forscher überraschte: Fast 55 Prozent der Opfer wurden von ihnen unbekannten Hunden gebissen.

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Liverpool – In Großbritannien müssen jährlich mehr als 6.500 Patienten im Krankenhaus verarztet werden, nachdem sie von einem Hund angefallen worden sind. Der nordwestliche Teil Englands verzeichnet die höchste Anzahl von Krankenhausaufenthalten wegen Hundebissen. Forscher des Instituts für Epidemiologie in Liverpool haben nun im Rahmen einer Beobachtungsstudie festgestellt, dass ängstliche Menschen ein erhöhtes Risiko haben, von einem Hund gebissen zu werden.

Experten schätzen die Dunkelziffer in etwa um das Dreifache höher ein, als in den offiziellen Spitalsberichten erhoben wird. Um konkrete Zahlen zu diesem Thema liefern zu können, haben die Liverpooler Wissenschafter 694 Personen (385 Haushalte) in der nördlichen Gemeinde Cheshire West befragt. Ziel der Erhebung war es herauszufinden, wie viele Personen von Hunden gebissen wurden und ob die Verletzungen ärztlich behandelt werden mussten. Außerdem wurde erforscht, ob die Probanden den Hund kannten beziehungsweise selbst Hundehalter sind. Die Ergebnisse wurden nun im "Journal of Epidemiology and Community Health" veröffentlicht.

Seelische Belastung der Opfer

Die Forscher erstellten mithilfe des standardisierten Fragebogens TIPI (Ten Item Personality Inventory) ein Persönlichkeitsprofil der Probanden. Ziel war es herauszufinden, ob bestimmte Charaktereigenschaften mit der Wahrscheinlichkeit, von einem Hund gebissen zu werden, korrelieren. Rund ein Viertel der Befragten gab an, schon einmal von einem Hund verletzt worden zu sein.

Männer waren doppelt so häufig betroffen wie Frauen, auch ältere Teilnehmer wiesen ein höheres Risiko auf, von einem Hund attackiert zu werden. 28,8 Prozent der Befragten gaben an, einen Hund als Haustier zu halten. Besitzer von mehreren Hunden wurden dreimal häufiger gebissen als Personen, die keinen Hund hatten. Dies könnte daran liegen, dass Hundebesitzer mehr in Kontakt mit den Tieren stehen oder auch bei Streitigkeiten zwischen rivalisierenden Tieren öfter eingreifen müssen. Was die Forscher überraschte: 54,7 Prozent der Befragten gaben an, dass sie von einem ihnen unbekannten Hund gebissen wurden.

Die offizielle Krankenhausstatistik wies 740 Fälle von Hundebissen pro 100.000 Einwohner aus. In der Studie konnten allerdings insgesamt 1.873 Fälle pro 100.000 Bewohner ermittelt werden. Das legt den Schluss nahe, dass die tatsächliche Verletzungsrate fast dreimal höher ist. Rund 33 Prozent der Hundebisse mussten verarztet werden.

Neue Bewertung der Risikofaktoren

Die Analyse zeigte, dass es einen Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit der Probanden und der Wahrscheinlichkeit, von einem Hund gebissen zu werden, gibt. Demnach hatten Menschen, die emotional stabiler und weniger ängstlich waren, das niedrigste Risiko, von einem Hund gebissen zu werden.

Drei der 48 befragten Kinder gaben an, dass sie schon mal von einem Hund gebissen wurden. Dies könnte darauf hindeuten, dass Kinder seltener von Hunden verletzt werden, da der Nachwuchs immer weniger im Freien spielt.

Mehrere Schwachpunkte

"Die bislang geltenden Risikofaktoren sollten neu bewertet werden, da diese Studie gezeigt hat, dass frühere Überzeugungen – wie etwa jene, dass die Bisse typischerweise von vertrauten Hunden stammen – nicht zutreffend sind", schreiben die Autoren. Auch das Verhalten in Gegenwart des Tieres wird von den Forschern thematisiert: "Um Hundebisse besser vermeiden zu können, sollten bestimmte Verhaltensweisen für die unterschiedlichen Persönlichkeitstypen empfohlen werden."

Die Studienautoren betonen aber, dass die gemessenen Korrelationen keinen eindeutigen Schluss über Ursache und Wirkung zulassen. Zudem wurden nur Haushalte in einem County berücksichtigt, sodass sich die Ergebnisse nicht auf ganz Großbritannien umlegen lassen. Ein weiterer Schwachpunkt: Die Wissenschafter hatten keine Daten über Geschlecht, Alter oder die Rasse der Hunde gesammelt. (slxm, 2.2.2018)