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Tom Brady und Bill Belichick stehen in ihrem achten Super Bowl.

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Die Highlights sämtlicher Super Bowls mit Brady/Belichick-Beteiligung zum Durchschauen – Nummer eins: Super Bowl XXXVI – Rams vs. Patriots.

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Nummer zwei: Super Bowl XXXVIII – Panthers vs. Patriots.

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Nummer drei: Super Bowl XXXIX – Patriots vs. Eagles

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Nummer vier: Super Bowl XLII – Patriots vs. Giants

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Nummer fünf: Super Bowl XLVI – Giants vs. Patriots

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Nummer sechs: Super Bowl XLIX – Patriots vs. Seahawks

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Nummer sieben: Super Bowl LI – Patriots vs. Falcons

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Minnesota/Wien – Jetzt stehen sie schon wieder im Super Bowl. Zum achten Mal in 17 Jahren schmücken die New England Patriots in der Nacht auf Montag (0.30 Uhr, live auf Puls 4) das Finalspiel der NFL, kein anderes Team schaffte das in dieser Zeit öfter als dreimal. Aus gutem Grund: Im Sport sind die USA fast kommunistisch, alle sollen gleich erfolgreich sein. Das System NFL hat dafür zwei mächtige Werkzeuge.

Wegen der Gehaltsobergrenze müssen erfolgreiche Teams Leistungsträger ziehen lassen, im alljährlichen Draft verpflichten die schlechtesten Teams der Vorsaison die vielversprechendsten jungen Spieler. Das erzwingt Ausgeglichenheit und verhindert mehrjährige Dominanzphasen.

Gegen jede Regel

Der Erfolg der Patriots ist ein Fehler im System. Wer verstehen will, warum sie ungeachtet aller Hürden so beständigen Erfolg haben, der muss zurück in das Jahr 2000 gehen. Damals, als man noch ohne langwierigen Sicherheitscheck in Flugzeuge steigen durfte, tat Teaminhaber Robert Kraft den ersten Schritt, als er den als menschlich kompliziert bekannten Bill Belichick als Headcoach verpflichtete und effektiv zum General Manager machte.

Es war ein Vertrauensvorschuss sondergleichen. Belichicks erstes Engagement als Cheftrainer bei den Cleveland Browns 1991-95 war ein Fehlschlag, seinen zweiten Headcoach-Job (New York Jets, 2000) gab er nach einem Tag per Rücktrittserklärung auf einer Serviette ab. Unnahbar, Kapuzenpulli, grimmiger Blick, "Do your job!": Dieser Mann sollte einer 40 Jahre alten Franchise ihren ersten Titel bringen.

Belichicks früherer Boss Art Modell riet Kraft davon ab, den sturköpfigen Coach zu verpflichten.
The Herd with Colin Cowherd

Belichicks erste Aufgabe war der Draft 2000. Hunderte College-Absolventen warteten darauf, von einem Profiteam auserwählt zu werden, darunter Tom Brady. 198 Spieler und sechs Quarterbacks waren schon ausgewählt. Der beste Spielmacher aller Zeiten wartete noch, lag mit einem Minus-50-Prozent-Pickerl im Ramschregal. Belichick schlug zu.

Als Einser-Quarterback war Drew Bledsoe einzementiert, Brady begann seine Karriere als Reservist. 2000 gewann Bledsoe fünf Spiele und verlor elf. Trotzdem bekam er einen frischen Zehnjahresvertrag.

Die Geschichte von Tom Bradys Draft.
NFL Films

Im zweiten Spiel der Saison 2001 verletzte sich Bledsoe, der Rest ist Geschichte: No-Name Brady übernahm, führte sein Team zum Super-Bowl-Titel, gewann in den nächsten drei Jahren zwei weitere, wurde Vater, verpasste verletzungsbedingt eine Saison, heiratete Supermodel Gisele Bündchen, stellte Rekorde auf, gewann noch zwei Super Bowls. Brady will Ewigkeit, will noch mit 45 Jahren auf höchstem Niveau spielen. Mit seinem persönlichen Guru Alex Guerrero entwickelte und vermarktet der 40-Jährige die "TB12-Methode", die ihn unverwüstlich machen soll – und nebenbei noch reicher.

Fragwürdige Methode

Die Methode und ihr Diätplan wackeln zwischen nachvollziehbar und halbseiden: kein weißer Zucker, Unmengen an Wasser, keine Nachtschattengewächse, viele alkalische Speisen. Bradys Zauberwort heißt "Pliability", er vergöttert "biegsame" Muskeln. Wissenschaft steht wenig dahinter. Das Starter-Kit mit Buch, Widerstandsbändern und Proteinpulver kostet 250 Dollar, das 200-Dollar-Kochbuch ist schon vergriffen.

Dass ein Quarterback wie Brady unabhängig von seinem Salär das höchste Gut im Football ist, ist freilich kein Geheimnis. Schon eher, dass Brady schon jahrelang weniger für seine Dienste verlangt, als er auf dem freien Markt bekäme. So bleibt seinem Team mehr Geld im Wettbieten für andere Spieler. Stichwort Gehaltsobergrenze.

Das Genie

Geht man den anderen Erfolgsgeheimnissen der Patriots nach, landet man meist beim Headcoach oder beim General Manager, also bei Bill Belichick oder Bill Belichick. Ersterer ist ein strategisches Genie, dessen Spieltaktik wichtige Spiele entschieden hat. Zweiterer kennt keine Loyalität, in der NFL ein Vorteil. Wer dem Team nicht mehr nützt, wird entlassen und ersetzt – lieber ein Jahr zu früh als zu spät. Das erfuhr auch LeGarrette Blount, der am Weg zum letzten Super Bowl eine tragende Rolle spielte, danach aber kein Vertragsangebot bekam und nun mit den Philadelphia Eagles im Endspiel steht.

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Nach der Super Bowl im Februar 2017 feierten Brady, Belichick und Blount (r.) miteinander. In der Nacht auf Montag steht Letzterer auf der anderen Seite.
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So fröhlich Belichick seine Spieler wechselt, so treu ist er einigen Auserwählten abseits des Feldes. Zum Beispiel Ernie Adams. Der frühere Investmentbanker und Börsenhändler ist Belichicks Mann für die Trickkiste. Während der Saison soll er 100 Stunden pro Woche arbeiten, er ist ein Pionier der Football-Analyse, findet Regelschlupflöcher, studiert die Tendenzen von Schiedsrichtern. Laut Stimmen aus dem Teamumfeld entspringen viele siegbringende Taktikänderungen Adams' Kopf.

Das Genie hinter dem Genie?

Der Schattenmann selbst gibt kaum Interviews, mit Belichick arbeitete er schon in Cleveland zusammen. Der damalige Teambesitzer Art Modell sagte über das Mysterium: "Ich weiß, dass er etwas tut, und ich weiß, dass er für mich arbeitet, und ich weiß, dass ich ihn bezahle, aber ich wüsste gern, was es ist."

Zugegeben, "Breakdance" mag etwas hoch gegriffen sein.
Mike Petraglia

So mag es auch Patriots-Boss Kraft gehen. Es wird ihn nicht stören. Der Milliardär hält seine schützende Hand über den streitbaren Belichick und dessen Mitarbeiter, grinst in die Kameras und kriecht zu Kreuze, wenn sein Kompagnon eine rote Linie überschritten hat, wie 2007 bei "Spygate" , als die Patriots die Signale gegnerischer Coaches abfilmten. Der 76-jährige Kraft gilt als loyal, sammelt Turnschuhe und packt auch mal Breakdance-Moves aus. Er ist das Muster des coolen Großonkels, der vor vielen Jahrzehnten nach Amerika ausgewandert ist. Der Star der Familienfeier. Er und Belichick könnten kaum unterschiedlicher sein.

Irgendwo dazwischen ordnet sich der perfekte Schwiegersohn Brady ein, unerbittliche Erfolgsgier und gemeinsame Triumphe verbinden das Trio. Sonst – wenig. Vor dem Start der Playoffs sorgte ein Bericht von ESPN für Aufsehen, wonach sich Kraft, Belichick und Brady überworfen hätten. Die Patriots dementierten und zogen abermals in den Super Bowl ein. Den "Patriot Way" nennen sie das in Foxborough. Oder wie Ex-Spieler Kevin Faulk sagt: "Es geht nur ums Gewinnen." (Martin Schauhuber, 3.2.2018)