Frei von Tiefe: die Inszenierung von "Lazarus".

Schauspielhaus

Vor der Premiere trat Matthias Hartmann auf die Bühne. Er äußerte sich allerdings nicht zu den Vorwürfen gegen ihn durch Mitarbeiter des Wiener Burgtheaters. Sondern gab nur bekannt, dass auch eine doppelte Bronchitis im Ensemble die deutsche Erstaufführung des Musicals Lazarus nicht stoppen konnte.

Der Chef des Düsseldorfer Schauspielhauses, Wilfried Schulz, meinte im Vorfeld, die Veröffentlichung des offenen Briefes zum jetzigen Zeitpunkt sei "ein sehr belastender Vorgang". In seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Hartmann habe es derartige Vorkommnisse jedenfalls nicht gegeben. Grundsätzlich sei künftig im Theaterbetrieb die Debatte darüber, wie man mit Macht umzugehen habe, intensiver zu führen. Nach #MeToo habe eine neue Sensibilisierung stattgefunden, auch sei eine neue Generation von Künstlern an der Macht, "die solche Debatten vielleicht anders führen wollen", zitierte die Rheinische Post den Intendanten.

Nun also zu Lazarus: Das Musical schrieb David Bowie zusammen mit dem irischen Autor Enda Walsh in der Zeit, als er schon von seiner Krebserkrankung wusste. Bei der Uraufführung 2015 in New York zeigte sich Bowie zum letzten Mal öffentlich.

Thomas Newton sitzt in seinem luxuriösen Apartment, trinkt Gin und schaut Fernsehen. Er ist ein Außerirdischer, die Figur, die David Bowie 1976 im Kinofilm Der Mann, der vom Himmel fiel verkörpert hat. Das Musical zeigt, was viele Jahrzehnte später aus Newton geworden ist. Ein hoffnungsloser reicher Mann. Er wartet auf den Tod, kann aber nicht sterben.

Kein Flow, oft hölzern

Der Norweger Hans Petter Melo Dahl spielt Newton mit bowieesker Föhnfrisur, einem eng anliegenden, schimmernden Anzug und glitzernden Schuhen. Der leichte Akzent gibt ihm eine Ahnung von Fremdheit. Kühl und in kerzengerader Haltung steht er in der Kuppel seines Hauses, zu der revueartige Treppen führen. André Kaczmarczyk entwickelt lasziv und elegant als Valentine den neben Newton präsentesten Charakter des Abends, einen schwarzen Engel, gewissenlos und verführerisch.

Die anderen bekommen weniger Konturen, die Handlung verläuft sprunghaft und assoziativ. Das könnte in Verbindung mit Bowies Songs eine Qualität sein, Autor Enda Walsh schreibt, das Stück solle sich anfühlen wie ein "Fiebertraum". Doch in Matthias Hartmanns Inszenierung fiebert wenig, er inszeniert stilistisch unterschiedliche Szenen. Wenn Newtons Assistentin (Rosa Enskat) mit ihrem Ehemann streitet, wirkt das wie Edelboulevard. Kameraleute laufen über die Bühne, Darsteller posieren für sie. Die Bilder werden auf Videoscreens projiziert, auf denen auch sonst allerhand flackert. Die Choreografie bleibt eher einfallslos, oft landen Darsteller in Musicalklischees. So kommt kein Flow zustande, und was Poesie sein könnte, wirkt oft hölzern. Auch Bowie gab sich häufig distanziert, tat es aber in einem stilisierten Rahmen, der hier fehlt. Dafür singt das Ensemble ausgezeichnet.

Das Publikum jubelte aber lange, es gab Standing Ovations für ein Stück, das bis Ende März nahezu ausverkauft ist. Ökonomisch ist Lazarus also ein Erfolg. Ein tiefer Blick auf David Bowie gelingt Matthias Hartmann aber nicht. Es wurde eher nur eine kühle Kunstinstallation – mit ein paar Gags in opulenter Optik. (Stefan Keim aus Düsseldorf, 5.2.2018)