Paul Ronzheimer, "Sebastian Kurz – Die Biografie".

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Wer ist Sebastian Kurz? Auf Seite 177 seiner Biografie über "den jüngsten Politiker, dem ein europäisches Land nach dem Zweiten Weltkrieg je seine Zukunft anvertraut hat", stellt Paul Ronzheimer, Chefreporter im Politikressort der Bild-Zeitung, sich diese Frage. Die Antwort war offenbar auch für den vertrauensvoll mit biografischen und sonstigen Informationen gefütterten deutschen Journalisten nicht so einfach zu finden, obwohl er – anders als die Falter-Redakteurinnen Barbara Tóth und Nina Horaczek, denen weder Kurz noch sein Umfeld für ihre bereits Anfang Dezember vorgelegte Kurz-Biografie zur Verfügung stehen wollten – Zugang zum österreichischen Kanzler und dessen privatem und beruflichem Inner Circle eingeräumt bekam. Sogar die Eltern, bisher medienscheu, plauderten am mütterlichen Bauernhof im Waldviertel stolz über ihren Sohn. Ronzheimer formuliert sein Dilemma so: "Sebastian Kurz ist so makellos und nahezu fehlerfrei in seinem Auftreten und seiner Kommunikation, dass man nur schwerlich sagen kann, wie und wer er wirklich ist."

Also schauen, was er tut: Die dramaturgische Klammer – und im Wahlkampf inszenierte Kernkompetenz des Chefs der neuen Volkspartei – wird um das Flüchtlingsthema herum konstruiert. Das Wort Flucht bzw. variiert als Flüchtling(e) oder Flüchtlingskrise kommt auf 191 Seiten 255-mal vor, Grenze(n) gibt es 79-mal und – ein Kurz-Porträt ohne "Balkan-Route" ist keines. Sie steht auf 22 Seiten: "Es ist die Schließung der Balkan-Route, die Sebastian Kurz endgültig zum Polit-Star in Österreich macht."

Ronzheimer, der Krisen- und Kriegsreporter, kontrastiert Kurz' politische Aussagen immer wieder mit seinen Erlebnissen mit ertrunkenen Flüchtlingen vor Rhodos, Verzweifelten im Schlauchboot in der Ägäis oder David in einem libyschen Lager. Und er fragt: "Wie kann ein Politiker so etwas tolerieren?" Ein Befund über das "Wunderkind" lautet: "Sebastian Kurz ist schon in so jungen Jahren ein Volkstribun." Ronzheimers Prognose: "Seine Bewährungsprobe liegt noch vor ihm." (Lisa Nimmervoll, 5.2.2018)