Wien – ORF-Anchor Armin Wolf kündigte auf STANDARD-Anfrage an, er werde FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache "selbstverständlich" klagen. Anlass: Strache hat auf seiner persönlichen Facebook-Präsenz ein an die ORF-Werbekampagne "Wie wir" angelehntes Sujet gepostet. Headline zu einem Bild von Armin Wolf mit "Pinocchio"-Bild in der Hand: "Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF." Strache hat das Bild mit dem Vermerk "Satire!" und einem Smiley gepostet.

Wolf "ehrlich fassungslos"

Rechtlich ist Lüge ein Vorwurf der absichtlichen Fehlinformation. DER STANDARD hat bei Wolf angefragt, ob und wie er auf diesen Vorwurf reagiert. Wolf erklärt dazu:

"In 32 Jahren als Journalist hat mir noch nie jemand vorgeworfen, ich würde in meiner Arbeit lügen. Selbstverständlich werde ich das klagen, und ich gehe davon aus, dass der ORF ebenfalls klagen wird. Ich bin persönlich nicht wehleidig und stelle mich gerne jeder sachlichen Kritik, aber dass der Vizekanzler der Republik ein derartiges Sujet postet, macht mich ehrlich fassungslos. Ich finde, die Attacken der FPÖ – einer Regierungspartei – auf unabhängige Medien und ihre persönlichen Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten erreichen mittlerweile ein demokratiepolitisch wirklich bedenkliches Ausmaß. Und dabei geht es nicht um diese Rechtsfrage, denn dass Herr Strache für dieses Posting verurteilt werden wird, ist ja überhaupt keine Frage."

***** Auf seinem Blog arminwolf.at erklärt er ausführlicher seine erste Klage in 32 Jahren.

Auf Twitter erklärte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der ORF habe seinen Anwalt mit weiteren Schritten beauftragt. Er fordert von Facebook und Vizekanzler Strache die Löschung des "unsäglichen Posts" sowie eine Richtigstellung und Entschuldigung.

Strache: "Nicht personenbezogen!" *****

Unten der Post von Strache, er hat am Dienstagabend eine längere Erklärung angefügt: "Mein gestriges Facebook-Posting ist – und wurde – ausdrücklich als "Satire" gekennzeichnet. Zugegeben, eine klar ersichtlich überzogene Satire!

Ich habe mit Armin Wolf gesprochen und ihm gesagt, dass das Posting nicht gegen ihn persönlich gerichtet, sondern ausdrücklich als Satire-Reaktion auf die Wahlberichterstattung des ORF Tirol gedacht war.

Es tut mir natürlich leid, wenn Armin Wolf dieses Posting persönlich genommen hat. Allerdings möchte ich ausdrücklich festhalten: Es war nicht personenbezogen! Es war und ist Kritik am ORF in Form von überspitzter Satire bezüglich der tendenziösen und manipulativen Berichterstattung in der jüngeren Vergangenheit!"

Unter "Das ist der ORF" behauptet das Sujet noch: "Das Beste aus Fake-News, Lügen und Propaganda, Pseudokultur und Zwangsgebühr".

Das Sujet stand – jedenfalls in wesentlichen Teilen – auf ORF-kritischen Facebook-Seiten. Der ORF hat bei Facebook schon vor längerem die Löschung beantragt.

Vizekanzler: "Satire"

***Vizekanzler Heinz-Christian Strache bezeichnete das Facebook-Posting auf Anfrage der APA als Satire: Diese sei "auch als solche zu bewerten". Das Posting sei auch als solche gekennzeichnet gewesen. Nach den Vorfällen beim ORF Tirol sei Satire "besonders notwendig", meinte Strache, der auch darauf verwies, dass er dieses Posting auf seiner privaten Facebook-Seite geteilt habe.

Kritik an Strache-Post

Straches Posting ging manchem zu weit. Kritisch twitterte "Krone"-Innenpolitikchef Claus Pándi: "Bei aller berechtigten Kritik am ORF: Für den Vizekanzler der Republik Österreich ist das kein Stilmittel."

"Dass der Vizekanzler einen Journalisten, in diesem Fall Armin Wolf, so unqualifiziert und frontal desavouiert und angreift, ist eine neue, nicht gekannte Qualität. Ich bin erschüttert, dass das mein Österreich sein soll", postete Medienmanager Gerold Riedmann von den "Vorarlberger Nachrichten".

Der ORF weist die "pauschalen Anschuldigungen und Unterstellungen gegenüber seinen Redaktionen sowie gegen Armin Wolf persönlich auf das Schärfste zurück", hieß es gegenüber der APA. "Der ORF wird unverzüglich bei Facebook die Löschung dieses Postings veranlassen und prüft weitere rechtliche Schritte."

****ORF-Redakteursrat: "Massive Grenzüberschreitung"

"Es handelt sich hierbei um eine massive Grenzüberschreitung durch ein führendes Mitglied der österreichischen Bundesregierung. Einer der höchsten Repräsentanten unseres Staates hat mit der Verbreitung derart schwerer Vorwürfe eine rote Linie überschritten", schreibt der ORF-Redakteursrat in einer Aussendung. "Ein Medium und seine Mitarbeiter pauschal als vorsätzliche Verbreiter von Lügen zu diffamieren und diese Aussage mit dem Foto eines bekannten Journalisten zu illustrieren, ist unter der Würde eines Vizekanzlers der Republik Österreich."

"Anlass zur Sorge"

Dies markiere "einen Tiefpunkt im Umgang Heinz-Christian Straches mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk". Journalisten seien keine politischen Gegner, sondern Berichterstatter über Politik. Gegen sachliche Kritik an Berichterstattung sei nichts einzuwenden. "Doch persönliche Angriffe auf die Reputation und den guten Ruf von Journalisten sind in einer Demokratie aus gutem Grund fehl am Platz. Dass derartige Methoden nun von höchster Stelle benutzt werden, direkt aus der österreichischen Bundesregierung, macht betroffen und ist Anlass zur Sorge", so der Redakteursrat.

"Das systematische Beschädigen der beruflichen Reputation von Journalisten, das Untergraben der Glaubwürdigkeit freier Medien schade dem ORF, es schadet dem Ansehen der Politik, und es schadet der Demokratie in Österreich, wie ein Repräsentant der Regierungsspitze mit der freien Presse umgeht."

IG Autorinnen und Autoren verurteilt "Missbrauch der literarischen Kategorie 'Satire'"

Die "vollkommen satirefreie 'Satire'" stößt auch der IG Autorinnen und Autoren auf. Der "Angriff" auf Armin Wolf sprengt für die Interessengemeinschaft "alle bisher gekannten Dimensionen der politischen Auseinandersetzung. Dieser Angriff ist Politpropaganda der übelsten Art."

"Wir verurteilen diesen Missbrauch der literarischen Kategorie 'Satire' sowie der Kunst-, der Medien- und der Meinungsfreiheit zu politischen Propagandazwecken. Ziel dieser Attacke ist einzig und allein die Verleumdung eines kritischen Journalisten und des Mediums, für das er arbeitet."

Angegriffen werde der ORF auch als Ort der "Pseudokultur". Die Attacke richte sich damit "genauso gegen die Kunst- und Kulturszene wie auch gegen den ORF-Hörfunk und das ORF-Fernsehen und jede kritische Berichterstattung gleichermaßen. Es hat somit nur ein paar Wochen gedauert, bis die FPÖ ihre Regierungsvereinbarung mit der ÖVP im Kapitel Kunst und Kultur Lügen straft, sie ist nicht imstande, die nicht zu ihr gehörende Kultur als 'Kultur' zu akzeptieren." (red, APA, 13.2.2018)