Als seltene Erkrankungen werden Krankheiten bezeichnet, die mit einer Häufigkeit von bis zu fünf von 10.000 Personen auftreten. Zu den bekanntesten dieser Krankheiten gehört die Bluter-Krankheit, auch Hämophilie genannt. Die Erbkrankheit ist durch die mangelhafte Bildung von Blutgerinnungsfaktoren gekennzeichnet. Die Folge: selbst nach leichten Verletzungen kommt es zu langanhaltenden Blutungen.

In Österreich ist davon etwa eines von 10.000 männlichen Neugeborenen betroffen. Insgesamt dürfte es um die 860 Patienten geben. 80 Prozent davon leiden an einem Faktor VIII-Mangel (Hämophilie A). Bei der Hämophilie B kommt es zu einem Faktor IX-Mangel.

Die zur Blutungsprophylaxe erfolgende regelmäßige Gabe des fehlenden Blutgerinnungsfaktors aus Spenderplasma oder biotechnologischer Herstellung hat den Betroffenen eine weitgehende normale Lebenserwartung gebracht. Gleichzeitig sind auch die gefürchteten Komplikationen wie Gelenksblutungen mit Invalidität viel seltener geworden. Weiterhin bleiben die Patienten aber abhängig von der Zufuhr der Gerinnungsfaktor-Präparate.

Noch im Anfangsstadium

Bei Hämophilie B (Faktor IX-Mangel) könnte sich diese Situation aber in Zukunft ändern. Am 7. Dezember vergangenen Jahres ist im New England Journal of Medicine eine klinische Studie der Phasen I/II zur Gentherapie der Hämophilie B erschienen.

In der Studie von L. A. George vom Children's Hospital of Philadelphia und seinen Co-Autoren bekamen zehn Patienten mit Hämophilie B (weniger als zwei Prozent der "normalen" körpereigenen Faktor IX-Produktion in der Leber) einmalig biotechnologisch veränderte ungefährliche Adenovirus-Vektoren. Die "Genfähren" waren so konstruiert, dass sie speziell Leberzellen "infizieren" sollten und damit das Erbgut für die Produktion eines hyperaktiven Blutgerinnungsfaktors IX einschleusen sollten.

Nach knapp 500 Wochen Gesamtbeobachtungszeit zeigten sich folgende Ergebnisse: Bei den zehn Behandelten kam es durch die einmalige Gentherapie-Verabreichung zu einem Anstieg der Faktor IX-Konzentration im Blut auf 34 Prozent des Normalwertes. Die Blutungshäufigkeit – auf das Jahr gerechnet – reduzierte sich um 97 Prozent (von elf auf 0,4 solcher Ereignisse pro Jahr). In der Gruppe der Probanden sank die Verwendung von Faktor iX-Präparaten um 99 Prozent. Bis zur breiten Anwendung von Gentherapie-Formen bei Bluterkrankheit wird es allerdings wegen der Notwendigkeit größerer Studien mit Patienten noch einige Zeit dauern.

Monoklonaler Antikörper

Es gibt aber noch weitere Fortschritt bei der Hämophilie A mit Faktor VIII-Mangel: Mitte November 2017 wurde von der US-Arzneimittelbehörde FDA der monoklonale Antikörper Emicizumab-Kxwh für die Behandlung von Hämophilie A-Patienten mit Antikörperbildung gegen die Präparate zugelassen. Etwa ein Drittel der Bluter mit Hämophilie A weisen diese Komplikation auf.

Weil der Körper von Geburt an keinen Faktor VIII "kennt", macht das Immunsystem gegen die künstlich zugeführten Gerinnungsfaktoren mobil, was zu einem schnellen Abbau von Faktor VIII und der Gefahr erneuter Blutungskomplikationen führt. Das wiederum bringt die Notwendigkeit mehrmals wöchentlicher Verabreichung samt Dosissteigerung mit sich.

Emicizumab ist ein monoklonaler Antikörper mit zwei Bindungsstellen: Auf der einen Seite bindet er an dem Blutgerinnungsfaktor IXa, auf der anderen Seite an dem Blutgerinnungsfaktor X. Durch das Zusammenführen der beiden Proteine kommt die Blutgerinnung bei den Behandelten wieder ausreichend in Gang. Bei Gesunden erfolgt das durch den Blutgerinnungsfaktor VIII, der Patienten mit Hämophilie A fehlt. In klinischen Studien konnte mit dem Medikament eine Verringerung der Häufigkeit von Blutungen um rund 90 Prozent erreicht werden. (red, 13.3.2018)