Wer gewinnt? Die Rodeomeisterinnen natürlich. Florentina Holzingers "Apollon".

Foto: Radovan Dranga

Wien – Wie toll! Apollon wird zur Bullriding-Maschine, gegen die einige Musen antreten. Wer gewinnt? Die Rodeomeisterinnen natürlich. Aber ist das sicher? Vielleicht siegt doch das Gerät – weil dem egal ist, was passiert. Im Tanzquartier Wien (TQW), MQ-Halle G, zeigt die Wiener Choreografin Florentina Holzinger ab Donnerstag ihr Gruppenstück "Apollon", dessen Uraufführungsversion beim vergangenen Steirischen Herbst noch "Apollon Musagète" hieß.

Alarmwerbung

Auf der TQW-Website steht, dass diese apollinische Dionysie nur für Junggebliebene "ab 18 Jahren" bestimmt ist, denn: "In einigen Szenen (...) kommen selbstverletzende Handlungen zur Darstellung, die auf manche Zuschauer_innen eine verstörende Wirkung haben könnten."

Das wirft erstens ein neues Licht auf diesen Tanz, in dem so Selbstverletzungen von Handlungen angekündigt werden. Sehr innovativ: Die Handlung selbst wird zur Akteurin.

Und zweitens wird dem Publikum unterstellt, es könnte ohne Vorwarnung mit so etwas nicht umgehen. Der Mehrwert dieser offenbar von der neuen US-amerikanischen Empfindlichkeit beeinflussten Alarmwerbung: Sie könnte die Angstlust vor dieser "Grenzverschiebung zwischen Hochkultur und Entertainment" ins schier Unermessliche steigern.

Mythologie on the rocks

Zum Entertainment: Wie bei der Uraufführung könnte sich eine der Darstellerinnen auch im TQW in Glasgefäße hineinerleichtern, was später eine gute Nachspeis’ hergibt, bevor eine Kettenpenetration alles abrundet.

Eigentlich ist dieser "Apollon" ein chilliges Stück, auch wenn eine Magierin sich zwischendurch mit Nadeln sticht und Spielkarten in die Haut tackert: sehr schöne Gänsehaut-Wellness für lässige Leute, die nichts so leicht umhaut, das sie schon vorher im Internet gesehen haben.

Florentina Holzinger zeigt sich großzügig als echte Hipster-Künstlerin, die den Genderdiskurs der vergangenen Jahre ordentlich durchrüttelt und ihn mythologisch on the rocks serviert (bei der Uraufführung kam Gin Tonic ins Spiel).

Das Apollon symbolisierende Bullriding-Gerät wird am Ende feierlich auseinandergenommen. Was klar an die Zerstückelung des altägyptischen Osiris erinnert. Dieser wurde später mit Dionysos gleichgesetzt, und Osiris’ Sohn Horus mit Apollon. Eine echt göttliche Verwirrung. (Helmut Ploebst, 21.2.2018)