Innenminister Kickl reitet offensichtlich gerne bzw. mag es, durch einen Reitstall geführt zu werden. Geht es nach dem Willen der türkis-blauen Regierung, wird auch bald der Bundestrojaner durch Österreich galoppieren.

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Bis vor wenigen Monaten sprach sich die FPÖ vehement gegen den Einsatz eines sogenannten Bundestrojaners und die Ausweitung von staatlicher Überwachung aus. Das hat sich geändert. Geht es nach dem Willen der türkis-blauen Regierung, wird die staatliche Überwachungssoftware bald durch Österreich galoppieren.

"Sicherheitspaket" beschlossen

Die Regierung hat dafür am Mittwoch ihr sogenanntes Sicherheitspaket auf den Weg gebracht. Kernpunkte sind eben die Überwachung verschlüsselter Nachrichten, die Ausweitung optischer und akustischer Überwachung sowie die Nutzung von Videoüberwachung zur Verfolgung von Straftaten. Laut Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) seien die Maßnahmen nötig gewesen, um einerseits das subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken, andererseits um auf die Methoden Krimineller zu reagieren. Mit dem Sicherheitspaket sage man dem staatsfeindlichen Terrorismus und der schweren Kriminalität den Kampf an. Kickl und Justizminister Josef Moser (ÖVP) sehen darin keine Massenüberwachung.

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Neben der Überwachung verschlüsselter Nachrichten, etwa im Falle von Whatsapp und Skype, und dem Ausbau der Videoüberwachung, zum Beispiel auf Autobahnen, finden sich noch etliche andere Maßnahmen im Überwachungspaket. Das Öffnen und die Beschlagnahme von Briefen und vor allem von Paketen wird ebenfalls erleichtert. Bei der Einführung von "Quick Freeze" handelt es sich um eine personenbezogene Vorratsdatenspeicherung, die im Anlassfall eine Aufbewahrung der Daten für maximal zwölf Monate zulässt. Auch die optische und akustische Überwachung von Personen wurde um neuen Terrorismusdelikte ergänzt.

Staat wird zum Hacker

Besonders der Einsatz von Bundestrojanern ist umstritten, IT-Experten und Datenschützer warnen vor derartigen Überwachungsprogrammen. Damit die Software eingesetzt werden kann, muss der Staat wie Hacker oder Kriminelle vorgehen und das Programm Verdächtigen unterjubeln – etwa mit manipulierten E-Mails oder durch die Ausnutzung von Sicherheitslücken.

Die Regierungspläne im Detail

Erster Kernpunkt des Maßnahmenbündels ist die Überwachung von Messengerdiensten wie Whatsapp durch die "Remote-Installation eines Programms auf einem Computersystem". Das soll zur Anwendung kommen bei Straftaten mit einer Strafobergrenze von mehr als zehn Jahren, bei Verdacht auf terroristische Straftaten sowie bei Straftaten mit einer Strafobergrenze von mehr als fünf Jahren, wenn Leib und Leben und/oder die sexuelle Integrität gefährdet sind.

Als Ersatz für die von Höchstgerichten in Europa aufgehobene Vorratsdatenspeicherung soll eine anlassbezogene Datenspeicherung in Verdachtsfällen kommen. Konkret ist das sogenannte Quick Freeze bei Vorliegen eines Anfangsverdachts auf bestimmte gerichtlich strafbare Handlungen vorgesehen. Telekommunikationsfirmen können demnach beim Verdacht einer Straftat von den Behörden angewiesen werden, Daten zu speichern – und zwar bis zu zwölf Monate lang. Sollte sich der Anfangsverdacht nicht erhärten, soll die Anordnung zur Datenspeicherung außer Kraft treten und der Verdächtige über den Vorgang informieren werden müssen.

Die Regierung will Zugriff auf verschlüsselte Kommunikations-Apps wie Whatsapp.
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Zugriff auf Video- und Tonüberwachung

Weiters soll die optische und akustische Überwachung von Personen ausgeweitet werden. Die Behörden sollten Zugriff auf die Video- und Tonüberwachung aller öffentlichen und privaten Einrichtungen, denen ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt (Verkehrsbetriebe, Flughafen, Bahnhof), bekommen. Für die Aufnahmen soll eine vierwöchige Speicherpflicht gelten. Damit gibt es eine zentrale, staatliche Kontrolle aller öffentlichen Plätze und des dortigen Lebens.

Das neue Überwachungspaket ruft Proteste hervor. Besonders in der Kritik: Das Gesetz soll ohne Begutachtung beschlossen werden.

Ausgebaut werden sollen "Kennzeichenerkennungssysteme". Damit sollen auf den Straßen bei jedem Auto der Lenker, das Kennzeichen sowie Marke, Typ und Farbe erfasst werden. Freiwillig von Privaten überlassenen Bild- und Videodaten sollen für alle sicherheitspolizeilichen Zwecke verwendet werden dürfen.

IMSI-Catcher

Ebenfalls geregelt wird der Einsatz von IMSI-Catchern. Diese Geräte verhalten sich gegenüber dem Mobiltelefon wie eine Funkzelle (Basisstation). So ist es möglich, Handys ohne Mitwirkung des jeweiligen Netzbetreibers zu lokalisieren. Gesprächsinhalte sollen nicht abgehört werden, was allerdings Kritiker befürchten. Anonyme Prepaikarten sollen der Vergangenheit angehören. Ab 2019 soll jeder Kauf einer SIM-Karte mit der Registrierung der Identität einhergehen.

Lockerung des Briefgeheimnisses

Vorgesehen ist weiters eine Lockerung des Briefgeheimnisses. Die Beschlagnahmung von Briefen ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, erforderlich ist. Bisher war die Voraussetzung, dass der Beschuldigte wegen einer vorsätzlichen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Tat in Haft ist oder eine Vorführung oder Festnahme deswegen angeordnet wurde. Argumentiert wird das mit der Bekämpfung des Handels mit im sogenannten Darknet angebotenen Suchtmitteln, welcher zunehmend über Versand von Briefen stattfinde.

Im Paket ebenfalls vorgesehen ist, dass Polizeieinsätze, die vorsätzlich oder mutwillig falsch ausgelöst wurden, künftig vom Verursacher zu bezahlen sind. (Markus Sulzbacher, 21.2.2018)