Wenn Gartenameisen einen kranken Nestinsassen wahrnehmen, dann knabbern sie ihm die Erreger ab – aber nur, wenn sie davor dagegen immunisiert wurden. Ist der Erreger neu, sprühen sie Ameisensäure.

Foto: Roland Ferrigato, Sina Metzler, IST Austria

Klosterneuburg – Ameisen sind recht intolerante Tiere. Ihr Nest verteidigen sie aggressiv gegenüber einer anderen, aber ganz besonders gegenüber der eigenen Art, weil die natürlich die gleichen Bedürfnisse an die Umwelt hat, wie sie selbst. Altruistisch sind sie nur innerhalb der eigenen Familie, im eigenen Nest. Da wird gegenseitig Hygiene betrieben, da werden kranke Tiere gepflegt, indem man ihnen Krankheitserreger abknabbert. Interessant erscheint, wie sie die erkrankten Tiere unter unzähligen Artgenossen erkennen. Sie können sie am Geruch erkennen.

14.000 Ameisenarten sind bekannt, die tatsächliche Zahl dürfte allerdings weit darüber liegen. Ein Team um die Evolutionsbiologin Sylvia Cremer am IST Austria hat an der invasive Gartenameise Lasius neglectus schon mehrfach soziales Verhalten unter den Tieren beschrieben. Zum Beispiel konnten die Wissenschafter eben demonstrieren, wie die Tiere zum Schutz der Kolonie auf kleinstem Raum gegenseitig den Pilz Metarhizium abnagen. Nun zeigten sie, wie sich die Ameisen bei ihrer "Doktorarbeit" selbst schützen – und dahinter steckt eine wahrhaft komplexe Logik.

Niemals im Stich lassen

Die Nestmitglieder werden niemals im Stich gelassen, schreiben Cremer und die beiden Erstautoren Matthias Konrad und Christopher Pull im Fachmagazin PNAS. Nur könnte es sein, dass die Ameise nicht knabbert, sondern sprüht, den Artgenossen also mit einer Ameisensäure behandelt. Dadurch wird intensiver Körperkontakt beim Abknabbern vermieden, der Patient aber dennoch gepflegt. Die Frage ist nun: Wann entscheiden sich die Tiere instinktiv zu dieser Art des sozialen Umgangs?

Die Antwort: wenn die zu pflegende Ameise mit Krankheitserregern angesteckt wurde, die dem pflegenden Tier gefährlich werden könnten, von denen sie also noch nicht befallen wurde und entsprechend Immunität entwickelt hat. Zu einer bestehenden Infektion könnte also noch ein Erreger dazukommt, was sich zu einer "Superinfektion" auswachsen würde. Ungeklärt ist, woran die Ameisen den für sie noch nicht bekannten Erreger erkennen. Cremer und ihr Team vermuten, dass es auch hier chemische Reize sind: Gerüche, die diese erstaunliche Fähigkeit zu differenzieren erst ermöglichen.

Sicherer Pflegekontakt

Sofern die Ameisen vor einem Erreger geschützt sind, wird ein damit infiziertes Nestmitglied aber durch Abknabbern behandelt. "Dieser intensive Pflegekontakt führt dazu, dass die pflegende Ameise viele Pilzsporen von den infektiösen Nestgenossen abbekommt, gegen die sie allerdings durch vorherige Immunstimulierung wenig anfällig ist", wird Cremer in einer Aussendung des IST Austria zitiert.

Sylvia Cremer erforscht seit vielen Jahren, so das Institut, die soziale Immunabwehr bei Ameisen mit dem Ziel, mehr über Epidemiologie und Krankheitsdynamik in Gesellschaften herauszufinden. Auf die Frage, wie viele Studien sie schon über Ameisen publiziert hat, lachte sie nur und meinte: "Es werden wohl etwa 30 sein." (Peter Illetschko, 22.2.2018)