Brigitte Bierlein bei der Angelobung am Freitag: Aufstieg mit Rückhalt von ÖVP und FPÖ.

Foto: Robert Newald

Brigitte Bierleins Lächeln wurde mit jedem Wort des Staatsoberhauptes breiter. Als "Pionierin", die Männerbastionen eroberte, würdigte sie Alexander Van der Bellen, um die Karriere der 68-Jährigen per formeller Angelobung auf ein neues Level zu heben: Seit Freitag steht Bierlein an der Spitze des Verfassungsgerichtshofs – als erste Frau in der Geschichte des Landes.

Die Neopräsidentin mag sich in diesem Moment mit Genugtuung an den Einstieg ins Höchstgericht vor 15 Jahren erinnert haben. Einen Kulturschock habe manch alter Herr seinerzeit erlitten, erzählt ein Insider, zumal die modebewusste Bierlein mit ihrer wallenden Mähne so gar nicht in das Klischee der nüchternen Juristin passte.

Fachliche Zweifel gab es obendrein. Die schwarz-blaue Regierung hatte die Wienerin 2002 knapp vor einer Nationalratswahl zur Vizepräsidentin am VfGH erkoren, ohne dass einschlägige Verdienste aufgefallen wären. Als Staatsanwältin mit einem gewissen Law-and-Order-Ruf war Bierlein auf Strafrecht spezialisiert und – natürlich ebenfalls als erste Frau – zur Generalanwältin in der Generalprokuratur aufgestiegen; doch Verfassungsrecht? Bis heute wird ihr nachgesagt, die theoretische Debatte zu meiden. Was manche mit fehlendem Tiefgang erklären, sehen andere als Vorteil: "VfGH-Entscheidungen fallen schlanker aus, weniger philosophisch."

Rechtskonservativ, aber nicht verbohrt

Es gab Zeiten, da schlug Bierleins Herz für ein ganz anderes Metier. Die Theater- und Malereiliebhaberin wollte sich an der Kunstakademie einschreiben, doch ökonomisches Kalkül und die Mutter sprachen dagegen – und die Erkenntnis, dass das eigene Talent womöglich nicht ganz reicht.

Politisch gilt Bierlein, die ihren Aufstieg nun abermals einem ÖVP-FPÖ-Pakt verdankt, als rechtskonservativ, aber keinesfalls verbohrt. Mit einem Votum gegen den Strich sei bei VfGH-Entscheidungen stets zu rechnen gewesen, hört man aus Höchstgerichtskreisen, wo ihr auch ein verbindlicher Stil im Umgang attestiert wird – gerade im Vergleich zum streng-konfrontativen Vorgänger Gerhart Holzinger, mit dem Bierlein viel gestritten hat.

Dass ihr aber auch Hartnäckigkeit eigen ist, beweist nicht nur die Karriere. Bei einem Raubüberfall vor Jahren ließ sie, entgegen jedem Rat der Polizei, partout ihre Handtasche nicht los und nahm Verletzungen in Kauf, ehe der Täter aufgab. "Ich wollte die Tasche behalten", erläuterte sie, "wegen der Rennereien, weil doch die Kreditkarte darin war." (Gerald John, 23.2.2018)