Foto: derStandard.at/Pichler
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Beim "Unpacked"-Event im Rahmen des Mobile World Congress hat Samsung, wie erwartet, das Galaxy S9 und S9 Plus vorgestellt. Smart Home, Entertainment und vor allem Kamerafeatures sind es, mit denen der Konzern die Kundschaft heuer für sein Frühjahres-Flaggschiff begeistern will. DER STANDARD konnte in einem Hands-on einen ersten Blick auf die neuen Smartphones werfen.

Von der Vorderseite aus betrachtet, hat sich erst einmal nichts getan. Auf den ersten Blick sieht das Galaxy S9 aus, wie sein direkter Vorgänger. Tatsächlich sind die Geräte hier aber nicht ganz ident. Beim S9 wurden die Ober- und Unterkante ein weiteres Mal etwas zurecht gestutzt, sodass das Handy eine Spur geschrumpft ist. Praktisch zu merken ist das allerdings nicht.

Das Galaxy S9 in der Frontansicht.
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Samsung lernt dazu

Auf der Rückseite wird der Generationsunterschied dann allerdings deutlicher. Denn Samsung hat dazu gelernt und die furchtbar unintuitive Anordnung von Kamera und Fingerabdrucksensor behoben. Letzterer befand sich im Vorjahr noch rechts neben dem Fotomodul, was dazu führte, dass Nutzer oft versehentlich das Objektiv der Kamera erwischten und verschmierten, statt den Scanner. Nun liegt er, wie bei der rückseitigen Anordnung üblich, unter ihr.

Dazu gibt es ein weiteres Merkmal, mit dem sich nun das reguläre S9 und die Plus-Variante unterscheiden. Letztere verfügt nun nicht mehr nur über ein größeres Display (6,2 statt 5,9 Zoll) und mehr Arbeitsspeicher (sechs statt vier GB), sondern hat auch eine Dualkamera.

Die Dualkamera des S9 Plus.
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Damit verfügt sie auch über eine hybride Zweifach-Zoomfunktion, die beim ersten Test ansprechend funktionierte. Auch dient sie für eine verbesserte Umsetzung des Porträtmodus. Darüber hinaus war auf den ersten Blick der Qualitätsunterschied bei den Aufnahmen nicht unmittelbar ersichtlich. Genauere Erkenntnisse hierzu wird freilich der ausführliche Test liefern.

Super-Slow-Motion

Beide S9-Modelle bringen zwei neue, von Samsung stolz präsentierte Features mit. Es gibt nun eine dynamische Apertur. Je nach Lichtbedingung operiert sie entweder mit niedrigerer (f/2.4, Tageslicht, helles Kunstlicht) oder höherer (f/1.5, Abend und Nacht) Lichtempfindlichkeit. Dazu werden pro Foto gleich 16 Aufnahmen erstellt, die per Algorithmus mehrstufig kombiniert werden. Erste Ergebnisse wirken vielversprechend. Die Aufnahmen aus einer Dunkelkammer erscheinen für Smartphone-Fotos recht detailreich und rauscharm.

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Die zweite Verbesserung ist ein Zeitlupenmodus, der mit 960 Bildern pro Sekunde operiert. Ähnliches lieferte Sony bereits im Vorjahr, Samsung koppelt seine Umsetzung jedoch mit der Möglichkeit, einen Aufnahmebereich zu definieren und automatisch Slow-Motion zu aktivieren, wenn innerhalb des Rahmens deutlich Bewegung erkannt wird.

Demonstriert wurde dies live mit einem platzenden Wasserballon und das Ergebnis konnte sich absolut sehen lassen. Ausgetestet werden konnte es von den anwesenden Journalisten zudem in einer Konfettikammer. Eine Versuchung, welcher man als Tech-Redakteur freilich nicht widerstehen kann.

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Wenn der User zum Animoji wird

Plagiatsvorwürfe musste sich Samsung gefallen lassen, als durchsickerte, dass das S9 animierte 3D-Emojis mitbringen wird. Einige Kritiker sahen darin eine Kopie der "Animjois" der jüngsten iPhone-Generation. Dass sich der koreanische Konzern vom kalifornischen Konkurrenten inspirieren hat lassen, liegt dabei nahe. In zwei Aspekten ist man diesem aber voraus.

Erstens: Die Samsung-Animojis sind plattformübergreifend nutzbar, denn sie werden als animierte GIFs zur Einbindung in alle Messenger bereit gestellt, welche mit diesem Dateiformat umgehen können. Zweitens: Sie sind individualisierbar. Mittels Frontkamera kann man ein Selfie aufnehmen. Ein durch Maschinenlernen gestützter Algorithmus wertet daraufhin über 100 Gesichtsmerkmale aus und baut aus dem 2D-Bild eine comichafte 3D-Figur, die sich mit Kleidung und Frisur weiter anpassen lässt. Die tatsächliche Ähnlichkeit zum Motiv variiert dabei. Den Eindrücken anderer Hands-on-Teilnehmer war zu entnehmen, dass die Ergebnisse für Männer etwas besser ausfallen, als für Frauen.

Das S9 Plus in der Hand.
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Die Erstellung eines eigenen, animierten Emojis ist dabei absolut simpel gehalten. Dazu erstellt das System auch gleich ein Set an verschiedenen Ausdrücken und Animationen. Es lassen sich aber auch einfach eigene Grimassen generieren. Während Apples Animojis nachgesagt wird, von den iPhone-Besitzern nur selten verwendet zu werden, könnten diese beiden Erweiterungen diese Funktion interessanter machen.

Es ist nicht der einzige Einsatz von Augmented Reality (die Vermischung digitaler Inhalte mit der physischen Welt) beim Galaxy S9 (Plus). Samsung hat auch die visuellen Fähigkeiten seines digitalen Assistenten Bixby ausgebaut. Dieser kann nun Text übersetzen und das Ergebnis direkt über die Echtzeitanzeige legen. Das klappt prinzipiell gut (von Deutsch auf Englisch), mit der Worterkennung bei kleinerer Schrift oder auf Displays plagt sich das Tool aber noch. Ebenfalls neu: Die Erkennung bestimmter Nahrungsmittel nebst Anzeige grundsätzlicher Nährwertinformationen.

Das S9 in der Hand.
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40 Prozent lauter

In akustischer Hinsicht sollen Dolby Atmos und Stereosound – realisiert über den unterseitigen Lautsprecher und jenen des Ohrhörers – eine höhere Wiedergabequalität bei gesteigerter Lautstärke gewährleisten. Um 40 Prozent soll das S9 dabei das S8 übertönen, was in einer Vorführung auch gut zu hören war. Die vorgeführte MP3 mit dem Donauwalzer erklang dabei auch mit klar besserem, weil vollerem Tonabbild. Wer das Handy oft zur Musikwiedergabe nutzt, darf sich also freuen. Freilich sind noch Tests mit unterschiedlichem Ausgangsmaterial ausständig.

In puncto Verarbeitung bleibt Samsung dem neuen Glas-Metall-Stil treu. Das bedeutet auch, dass die Rückseite weiterhin eine recht rutschige Angelegenheit und ein Fingerabdruckmagnet ist. Die Verwendung eines Covers ist anzuraten. Die AMOLED-Displays machten einen gewohnt guten Ersteindruck, es ist auch nicht zu erwarten, dass Samsung seinen Platz als einer der besten Hersteller dieser Komponente leichtfertig aufgibt.

Der Klinkenstecker bleibt erhalten.
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Entgegen einiger Gerüchte bleibt dem S9 auch der Klinkenstecker erhalten, was man – wohl auch als Seitenhieb gegen Apple – ebenfalls betonte. Zurück kehrt auch der Bixby-Button, der sich weiterhin nicht frei mit einer anderen Funktion belegen oder deaktivieren lässt. Hier müssen Nutzer wohl auch künftig zu alternativen Lösungen greifen.

Das auf Android 8 "Oreo" basierende System bringt nun auch einen Smart Home-Hub mit, mit dem sich alle Geräte verwalten und steuern lassen die den SmartThings-Standard unterstützen. Außerdem gibt es jetzt einen Landscape-Modus für den Startbildschirm.

Dex erlaubt nun eine Verwendung des Handys als Touchpad bzw. Tastatur.
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Dex 2.0

Überarbeitet hat Samsung außerdem sein Bildschirmdock Dex. In dieses wird das Handy nun nicht mehr eingestellt, sondern aufgelegt, Dadurch lässt es sich auch als Mauspad und Bildschirmtastatur nutzen, was im Hands-on auch gut funktionierte. Via Wireless-Dongle können auch normale Mäuse und Tastaturen verbunden werden. Auch das wurde erfolgreich vorgeführt. Weiters liegt nun der Klinkenstecker frei, sodass man nun während der Verwendung von Dex problemlos Lautsprecher oder Kopfhörer anhängen kann – auf dieses "Feature" hätte man freilich auch schon bei der ersten Generation kommen können.

An der Desktop-optimierten Oberfläche selbst hat sich derweil zum letzten Update nichts verändert. Die Neuerungen für die zweite Generation des Docks erscheinen jedenfalls sinnvoll und machen es zu einer interessanteren Wahl, insbesondere für den beruflichen Einsatz.

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Fazit

In Summe zeigen sich die neuen Galaxy S9-Modelle auf den ersten Blick als solides, evolutionäres Upgrade zum Vorgänger. Grundsätzliche Probleme, wie die Anordnung des Fingerabdruckscanners, wurden ausgeräumt. Und nun bietet auch Samsungs neues Flaggschiff – wenn auch nur eines der beiden Varianten – eine Dualkamera. Den 3,5mm-Klinkenstecker hat man dankenswerterweise auch beibehalten. Geblieben ist auch der Bixby-Button, der nach wie vor nur über Hilfswerkzeuge von Drittherstellern umbelegt werden kann. Darüber hinaus fiel das Upgrade hardwareseitig im erwartbaren Rahmen aus.

Aber: Die dynamische Apertur wirkt wie ein vielversprechender Zusatz für die ohnehin schon gute Kamera der Reihe. Was sie im Alltag taugt, muss freilich ein ausführlicher Test zeigen. Weisen muss sich außerdem noch, ob die Superzeitlupe und die individualisierten Animojis zu "massentauglichen" Features avancieren oder von den Nutzern nach dem ersten "Wow-Effekt" weitestgehend ignoriert werden. (Georg Pichler aus London, 25.02.2018)