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Foto: AP/DegliInnocenti

Rom – Er gibt sich humorvoll und schlagfertig wie immer, doch sein jugendlicher Elan ist deutlich verblasst. Matteo Renzi, einst Hoffnungsträger der italienischen Sozialdemokraten und selbst ernannter "Verschrotter" politischer Eliten, ist in wenigen Monaten stark gealtert. Vom Jungstar der Politik ist Renzi gleichsam zu einem müden und für viele unattraktiven Reformer geworden.

Der "Renzismus" – eine Mischung aus liberaler Wirtschaftspolitik, Reformdrang und jugendlicher Überheblichkeit – überzeugt die Italiener längst nicht mehr. Der Sozialdemokrat Renzi muss ernsthaft um seine Karriere bangen. Seit Wochen führt der Ex-Premier und Chef des Partito Democratico (PD) einen matten Wahlkampf. Gebetsmühlenartig listet der 43-Jährige die Errungenschaften der Mitte-Links-Regierung in der letzten Legislaturperiode auf und skandiert Slogans über die Zuverlässigkeit seiner Partei. Seine Wahlappelle begeistern jedoch nicht. Renzis Popularität ist auf Talfahrt, laut Umfragen könnte seine PD-Partei bei den Parlamentswahlen am 4. März auf ein historisches Tief von 22 Prozent abstürzen.

Gescheitertes Referendum

Renzis Traum einer triumphalen Rückkehr an die Macht nach der Blamage des gescheiterten Verfassungsreferendums vor 14 Monaten ist längst dahin. Der ehemalige Pfadfinder, der 2012 als Bürgermeister von Florenz auszog, um Italien zu regieren und im Februar 2014 mit 39 Jahren zum jüngsten Regierungschef Europas aufrückte, ist inzwischen einer der meistgehassten Politiker in Italien. Als selbstbezogen, arrogant und kurzsichtig beschreiben ihn seine politischen Gegner. Renzi habe die traditionsreiche sozialdemokratische PD in eine "Leader-Partei" umgewandelt, in der er allein das Sagen habe. Schwergewichte der Linken wie Ex-Premier Massimo D'Alema und der frühere PD-Chef Pierluigi Bersani traten im Frühjahr aus der Partei aus. Doch die Trennung von den Rivalen hat Renzi nicht gestärkt. Im Gegenteil: Der Toskaner erscheint immer isolierter und schwächer.

Inzwischen bekommt Renzi immer stärker die ungewollte Konkurrenz seines Parteikollegen und Regierungschefs Paolo Gentiloni zu spüren. Während der politische Stern des redegewandten und technologisch versierten Renzi dahinschwindet, gewinnt der stille und diplomatische Gentiloni zunehmend an Popularität. Die Italiener betrachten den Premier als Garantie für Stabilität. Inzwischen muss Renzi einsehen, dass Gentiloni wesentlich bessere Karten als er hat, um eine Große Koalition aufzubauen, sollte es nach den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag zu keiner klaren Mehrheit kommen und ein Kompromiss mit der Forza Italia um Silvio Berlusconi für die Regierungsbildung notwendig werden.

Profiteur Gentiloni

Auf die Erfolgsspur hieven Renzi auch frühere Verdienste nicht, die er seit seinem Antritt als Ministerpräsident Anfang 2014 erzielt hat. Von den Früchten seines Reformkurses scheint eher Gentiloni zu profitieren. Italiens Wirtschaft wächst nach den langen Krisenjahren wieder, die Arbeitslosigkeit sinkt, doch die Italiener zeigen sich Renzi gegenüber dafür nicht dankbar. Einen hohen Preis zahlt der Sozialdemokrat für seine offene Einwanderungspolitik. "Renzi hat mit seinem Migrationskurs Italien zu einem Flüchtlingslager unter freiem Himmel gemacht", poltert der "andere" Matteo der italienischen Politik, Renzis Erzfeind Matteo Salvini, Chef der ausländerfeindlichen Lega.

In dieser schwierigen Situation scheint Renzis politische Zukunft durchaus ungewiss. Sollte seine PD bei den Parlamentswahlen auf ein Rekordtief sinken, muss der Vater von drei Kindern sogar um seinen Chefposten an der Spitze des Partito Democratico bangen. Der parteiinterne Rivale Andrea Orlando ist bereit, dem Vorsitzenden den Krieg zu erklären und einen Kongress für die Wahl eines neuen Chefs zu fordern. Renzi muss sich auf rauen Gegenwind vorbereiten. Die Aussichten sind für den einstigen "Verschrotter" in den nächsten Monaten durchaus düster. (APA, 26.2.2018)