Der Nasa-Rover Curiosity kurvt seit 2012 auf dem Mars. In die "Special Regions", die aus astrobiologischer Sicht am interessantesten wären, darf er nicht.

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Wasserspuren im Grabenbruchsystem Valles Marineris. Areale wie dieses unterliegen besonders strengen Vorschriften zum Kontaminationsschutz.

Foto: NASA/JPL/University of Arizona

Washington/Wien – In den kommenden Jahren stehen gleich mehrere Landungen auf dem Mars bevor: Derzeit bereiten etwa die US-Weltraumbehörde Nasa (Insight und Mars 2020), die Europäische Weltraumorganisation Esa in Kooperation mit Russland (ExoMars) und China (Mars Global Remote Sensing Orbiter and Small Rover) Missionen vor, die demnächst Forschungsroboter auf den Roten Planeten bringen sollen. Spuren von Leben zu finden, rangiert ganz oben auf der Liste der wissenschaftlichen Ziele.

Vor diesem Hintergrund hat nun die neue Planetenschutzbeauftragte der Nasa, Lisa Pratt, erstmals eine mögliche Kehrtwende ihres Büros angedeutet: Es sollte darüber nachgedacht werden, die strengen Auflagen zum Kontaminationsschutz für einige vielversprechende Regionen des Mars zu lockern. In ersten Reaktionen erntete Pratt für ihre Aussagen Beifall wie Kritik.

Vertragliche Verpflichtung

Die Entscheidung über planetare Schutzmaßnahmen obliegt freilich nicht der Nasa, hier gelten internationale Verträge. Die Verpflichtung zu Maßnahmen, die eine Verunreinigung anderer Himmelskörper verhindern sollen, wurde 1967 im Artikel IX des Weltraumvertrags der Vereinten Nationen festgeschrieben. Seither wurden Richtlinien und Standards laufend weiterentwickelt, an neue Entdeckungen und technische Möglichkeiten angepasst.

Je ambitionierter eine Raumfahrtmission und je aussichtsreicher ihr Zielobjekt, desto komplexer werden auch die Anforderungen für den Schutz fremder Himmelskörper vor irdischen Mikroben. Bei einer Landung auf dem Mars muss schon die Herstellung der einzelnen Bauteile eines Raumfahrzeugs unter genau kontrollierten Bedingungen stattfinden. Für jene sogenannten "Special Regions" des Roten Planeten, in denen die für Leben günstigsten Bedingungen herrschen und flüssiges Wasser existieren könnte, sind die Auflagen besonders streng. Seit den Viking-Landern der Nasa in den 1970er-Jahren erfüllte kein Marslander mehr die – kostspieligen – Voraussetzungen, solche Regionen zu besuchen.

Raumfahrer als Mikrobenschleudern

Die Wahrscheinlichkeit künftiger bemannter Marsmissionen würde ein Überdenken der bisherigen Regelung erzwingen, sagte Pratt, die das Nasa-Büro für "Planetary Protection" erst seit wenigen Wochen leitet, bei einer Konferenz in Washington, D. C.: "Egal, was wir jetzt tun: In dem Moment, in dem wir Menschen auf den Mars bringen, ist die Umgebung nicht mehr sauber und unberührt", so Pratt. "Wir sollten also noch bevor der Mensch den Mars erreicht wissen, ob es ein Ökosystem auf oder nahe der Marsoberfläche gibt."

Das ist eine Kehrtwende der bisherigen Position der Nasa: Pratts langjährige Vorgängerin Cassie Conley vertrat stets eine strenge Auslegung der im Weltraumvertrag festgeschriebenen Verpflichtung zum Kontaminationsschutz auf dem Mars. Der Astrobiologe Alberto Fairén von der Cornell University, der in der Vergangenheit Kritik an den restriktiven Schutzvorgaben übte, begrüßte Pratts Vorstoß im Gespräch mit dem Wissenschaftsmagazin "Science": "Es ist schön zu hören, dass die neue Planetenschutzbeauftragte der Nasa ihre Amtszeit mit Überlegungen zu dieser dringenden Änderung beginnt."

Fachtagung im Sommer

Andere Wissenschafter, darunter John Rummel vom SETI-Institute in Champlain, New York, der vor Conley das Planetary Protection Office der Nasa leitete, warnen hingegen vor der Idee. "Ich würde auf jeden Fall weiterhin einen strengen Kontaminationsschutz der Special Regions auf dem Mars empfehlen", sagte Rummel, und meinte, Pratt solle sich erst einmal genauer in das Thema einarbeiten, ehe sie über Änderungen der geltenden Standards nachdenke.

Ob Pratts Anregung tatsächlich zur offiziellen Position der Nasa werden und gar internationale Vereinbarungen beeinflussen könnte, wird sich erst zeigen. Die Diskussion über das Thema ist jedenfalls eröffnet – und dürfte wohl im Juli bei der Jahresversammlung des Committee on Space Research (Cospar), dem globalen Dachverband für Weltraumforschung, auf dem Programm stehen. (David Rennert, 26.2.2018)