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Zerstörung in Ostghouta.

Foto: REUTERS/Bassam Khabieh

Damaskus/Moskau/Brüssel/Genf – Die vehemente internationale Kritik an den Bombardements in der syrischen Region Ostghouta nahe Damaskus zeigt erste Wirkung: Russland hat am Montagnachmittag Feuerpausen für die umkämpfte Rebellenenklave angekündigt. Am Dienstag um 9 Uhr Ortszeit (8 Uhr MEZ) traten sie erstmals in Kraft.

Sie sollen täglich von 9 bis 14 Uhr dauern, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Montag. So sollen "Verluste unter den Zivilisten" vermieden werden. Präsident Wladimir Putin habe den Befehl dazu erteilt. In dieser Zeit soll ein Korridor geöffnet werden, damit eingeschlossene Zivilisten die Stadt verlassen können.

Russland warnte dennoch vor einer weiteren Zuspitzung der Lage in der Rebellenenklave. Trotz der UN-Resolution für eine einmonatige Waffenruhe "eskaliert die Lage in Ostghouta immer mehr", erklärte das Außenministerium am Montag.

Für den Fall einer tatsächlich von allen Seiten eingehaltenen Feuerpause kündigten die Vereinten Nationen den sofortigen Beginn von Hilfslieferungen an. "Wir stehen bereit, sobald die Bedingungen für die Lastwagenfahrer und Helfer sicher genug sind, um in diese Gegenden hineinzugehen", sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Montag. Dafür müssten die Kämpfe aufhören, und es dürfe keine Straßensperren geben.

Humanitäre Notlage

Der UN-Sicherheitsrat hatte sich am Samstag nach mehrfacher Vertagung auf eine 30-tägige Waffenruhe für Syrien verständigt – vor allem zum Zweck, der notleidenden Bevölkerung in den belagerten und umkämpften Gebieten mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zu helfen. Trotzdem gingen die Kämpfe weiter.

Nach Angaben der Opposition wurde am Sonntag Giftgas bei dem Angriff auf Ostghouta eingesetzt. Viele Menschen hätten nach einer "enormen Explosion" Symptome von Chlorgas-Verletzungen gezeigt, berichteten oppositionelle Ärzte. Ein Kind sei gestorben, mindestens 18 Menschen behandelt worden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete diese Berichte am Montag als Falschmeldungen und Provokation.

Die EU-Außenminister verschärften zugleich bei einem Treffen in Brüssel die Sanktionen gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad. Der Industrie- und der Informationsminister wurden mit Einreisesperren in die EU belegt, ihr Vermögen wird eingefroren.

Kneissl spricht von "anarchischem Chaos"

Außenministerin Karin Kneissel sagte nach dem Treffen, in Syrien sei ein "derart anarchisches Chaos entstanden", dass die bisherige Linie der EU – Hilfe gegen Reformen – wohl nicht länger haltbar sei. Die Union müsse vor allem ihre humanitäre Hilfe für Flüchtlinge deutlich ausbauen.

Die EU-Außenminister besprachen die Lage mit sechs Außenministern der Region – so auch mit jenem in Jordanien, wo besonders viele Flüchtlinge aus Syrien gestrandet sind, und mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga. Offiziell trete die EU nach wie vor dafür ein, dass es nur eine politische Lösung im Rahmen der UN geben könne, sagte Außenbeauftragte Federica Mogherini. Kneissl ist überzeugt, dass die Europäer sich nicht länger "auf die Rolle des Zuschauers beschränken können".

In Genf unterstützte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer Rede den Aufruf von UN-Generalsekretär Anténio Guterres, die Kampfhandlungen unverzüglich zu beenden: "Die Attacken auf die Zivilbevölkerung in Syrien, und im Besonderen in Ostghouta, machen uns sprachlos."

Türkische Spezialkräfte nach Afrin verlegt

Unterdessen verlegte die Türkei Spezialkräfte in die nordsyrische Provinz Afrin zur Unterstützung von Militäroperationen gegen die Kurdenmiliz YPG. "Im Moment wird der Kampf weit weg von den Städten in Dörfern, in Ortschaften und auf dem Land fortgesetzt", sagte der türkische Vizepremier Bekir Bozdağ am Montag dem Sender NTV. Je weiter die Armee aber vorrücke, "desto mehr geht der Kampf in Gebiete über, in denen sich Zivilisten befinden". Die Spezialkräfte brächten Erfahrung im Häuserkampf mit. (tom, Reuters, dpa, 26.2.2018)