Szene aus "The People v. O. J. Simpson – American Crime Story": Simpson mit seinen Anwälten Robert Shapiro (John Travolta) und Robert Kardashian.

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Sarah Paulson spielt die Staatsanwältin Marcia Clark.

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Courtney Bernard Vance den Anwalt der Verteidigung, Johnnie Cochran.

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Marcia Clark schlendert nach einem anstrengenden Prozesstag müde durch einen kleinen Supermarkt. Nachdem der Mann an der Kassa ihre Tampons über den Scanner gezogen hat, hält er sie ihr auf Nasenhöhe hin und sagt: "Das wird eine harte Woche für die Verteidigung." Und er lacht schallend über seinen Witz.

1995 scheint ganz Amerika Marcia Clark (Sarah Paulson) zu kennen, die Chefanklägerin im Prozess gegen den American-Football-Star O. J. Simpson. In der True-Crime-Serie "The People v. O. J. Simpson – American Crime Story" (derzeit auf Netflix) wird die Geschichte des "Jahrhundertprozesses", bei dem Simpson wegen Mordes an seiner Exfrau Nicole Brown Simpson und an ihrem Freund Ron Goldman angeklagt war, erzählt.

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Live verfolgten damals die Fernsehsender Simpsons Flucht, live wurde der Prozess übertragen, und auch die Charaktere der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft wurden vor die Öffentlichkeit gezerrt – inklusive diskriminierender Stereotype.

Marcia Clark und Johnnie Cochran (Courtney Bernard Vance), Anwalt im Verteidigungsteam Simpsons und Bürgerrechtler, standen somit auch Pate für zwei Bewegungen, die in diesem Prozess ebenso gegeneinander anzutreten schienen: die (weiße) Frauenbewegung und die Bürgerrechtsbewegung. Ihr ging es in diesem Prozess um häusliche Gewalt, sagte Clark im Schlussplädoyer. Ihrem Konterpart Cochran ging es um rassistisch motivierte Vorverurteilung.

DNA-Beweise versus Rassismus

Dabei war Clark zu Beginn überzeugt, dass es nur auf die Beweislage ankäme: die DNA-Proben, Blutspuren, die zu Simpson führen, oder Simpsons nachgewiesene Gewaltbereitschaft, die auf einer Aufzeichnung eines Notrufes von Nicole Brown für die gesamten USA deutlich hörbar war. Auch Fotos vom Hämatomen hat Brown in einem Schließfach aufbewahrt. Aber da ist eben auch ein Cop am Tatort, der sich als eingefleischter Rassist erweist, da ist der Schock über die Polizeigewalt gegen Rodney King nur drei Jahre zuvor, die für die Beamten keine strafrechtlichen Konsequenzen hatte, und natürlich ist da der tief verwurzelte Rassismus, der in sämtlichen Institutionen sitzt.

Marcia Clark unterschätzt das Leid der schwarzen Bevölkerung angesichts von Rassismus und das berechtigte Misstrauen in die Behörden zu Beginn des Prozesses – das ist ihr blinder Fleck. Johnnie Cochrans blinder Fleck ist Sexismus. Als Richter Lance Ito an einem Prozesstag ankündigt, etwas länger verhandeln zu wollen, muss die Alleinerziehende Clark passen. Sie muss in einem knallvollen Gerichtssaal ihren privaten Verpflichtungen Priorität einräumen und macht unter sichtlichen Qualen deutlich: "Ich muss mich um meine Kinder kümmern." Das hindert Cochran nicht daran, dies vor aller Augen als "Babysitterprobleme" zu verlachen. Auch was ihr Aussehen und Auftreten betrifft, kann es Clark den Medien nicht recht machen, die mit jeder sexistischen Facette über die Anwältin herfallen.

DiskriminierungsexpertInnen

Das Unverständnis Cochrans und auch Clarks schmerzt. Dabei würden sich beide Figuren bestens mit Hassreden und Diskriminierung ihrer Identität wegen auskennen. Einen schlichten Rat hat ausgerecht einer parat, der von solchen Erfahrungen keine Ahnung hat, der weiße Staranwalt und Simpson-Verteidiger Robert Shapiro (John Travolta). Er wirft gegen Ende des Prozesses ein etwas müdes "Vielleicht sollten wir einander einfach besser zuhören" in die Runde. (Beate Hausbichler, 28.2.2018)