Wien – In jedem Biopic über Sportler kommt der Moment, in dem diese das erste Mal in ihrer Disziplin reüssieren. Dieser hat stets etwas Außergewöhnliches, weil schlaglichtartig eine Berufung augenscheinlich wird. Regisseure tragen dabei gerne dick auf. In Erik & Erika hat diese Szene jedoch etwas Hausgemachtes. Die Piste, auf der Erika Schinegger halsbrecherisch zu ein paar Schwüngen ansetzt, muss erst aus einigen Schneebatzen zusammengetragen werden. Die Euphorie ist am Ende nicht weniger groß. "Der Schnee hat ihr das Herz erwärmt – so war das", nennt das die Stimme im Voice-over.

Zuerst gefeiert, dann fallengelassen: Erika Schinegger (Markus Freistätter).
Foto: Lotus Film

Reinhold Bilgeri, der ehemalige Austropopper und seit dem Berg-Melo Der Atem des Himmels auch Regisseur, hat die unglaubliche Geschichte des intersexuellen Kärntner Skiläufers verfilmt, der als Erika 1966 Abfahrtsweltmeisterin wurde, in Wahrheit aber ein Erik war (2005 widmete sich Kurt Mayer in Erik(A) – Der Mann, der Weltmeisterin wurde dem Fall bereits dokumentarisch). Schinegger ist bei Bilgeri eine Naturkraft, die mit jugendlicher Naivität lange über Hindernisse triumphiert: ein Mädchen, das gern in Seifenkisten fährt und vor den körperlichen Widersprüchen, die sich spätestens mit der Pubertät auftun, mit einem Ausweichschwung reagiert.

Mit stimmigem Nachdruck

Die Determiniertheit von Schinegger macht sich auf diesem Wege auch der Film zu eigen. Bilgeri greift zwar auf etliche Erzählkonventionen zurück, wenn er etwas zu gehetzt, mit tendenziell zu fetter musikalischer Untermalung die Karrierestationen aus dem bäuerlichen Elternhaus bis in den ÖSV-Kader beschreibt.

Doch der Nachdruck auf die Figur, die am Ende zu einem eher klischeehaften Jungspund wird, bleibt überwiegend stimmig – das ist nicht zuletzt auch des Wieners Markus Freistätter Verdienst, der die Skirennläuferin sehr einnehmend verkörpert. Schon einen Mann zu spielen, der sich in der Rolle einer Frau habituell eingerichtet hat, ist kein einfaches Unterfangen; Freistätter lotet mit feinem Sensorium zudem die Scham aus, die sich erst in den intimeren Momenten zu erkennen gibt.

Hollywood Megaplex

Vor den Olympischen Spielen 1968 in Grenoble wurde Schinegger einem Hormontest unterzogen. Dabei wurde ein männliches Geschlecht festgestellt. Bilgeri inszeniert die daraufhin einsetzende Reaktion kolportagehaft als Vertuschungsversuch des männerbündlerischen ÖSV, bei dem man nicht umhinkommt, auch an jüngste Aufdeckungen sexueller Übergriffe zu denken. Schinegger wird im Kloster versteckt, eine Operation soll das Imageproblem verhindern, das durch Bekanntwerden der Wahrheit droht.

Zu einer vielsagenden Szene kommt es, als Schinegger in einem Innsbrucker Hörsaal Studenten als besondere Spielart der Natur vorgeführt wird. Die Kamera befreit den Helden und beginnt mit ihm über Schneelandschaften zu schweben. In diesem Moment gemeindet der Film Schinegger tatsächlich in die nationale Populärkultur ein, überhöht ihn/sie zu einem wackeren Superhelden des Skirennsports. Und für diese Geste ist Bilgeri dann auch gewiss nicht der falsche Regisseur. (Dominik Kamalzadeh, 27.2.2018)