SPÖ-Politiker Schieder und Rendi-Wagner, Neos-Chef Strolz (von links): Die Opposition sucht eine neue Waffe gegen die Raucherpolitik der Regierung.

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Antwortete unspektakulär, provozierte dennoch Aufruhr: Kanzler Kurz bei seiner ersten Fragestunde.

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Wien – Nach dem Kippen des Rauchverbots durch die Regierung erwägt die Opposition den Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH). SPÖ, Neos und Liste Pilz wollen prüfen, ob die Einschätzung des Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk tatsächlich Gewicht hat. Er betrachtet die bestehende Regelung, die nun weitergeführt werden soll, kritisch.

Die Nationalratssitzung am Donnerstag eröffnete eine Fragestunde an Bundeskanzler Sebastian Kurz. Das beherrschende Thema dabei: die Nichteinführung des Rauchverbots in der Gastronomie und der Stellenwert, den man dem "Don't smoke"-Volksbegehren gibt.
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Funk hatte gegenüber Medien mehrere Argumente vorgebracht, die eine Prüfung durch den VfGH zulassen würden. Zum einen könnte der Gleichheitsgrundsatz verletzt werden, denn mit der aktuellen Regelung im Arbeitnehmerschutzgesetz sind Beschäftigte im Hotel- und Gastgewerbe vom Schutz vor Zigarettenrauch am Arbeitsplatz ausgenommen. Dass eine Berufsgruppe explizit nicht vor dem schädlichen Tabakrauch geschützt wird, könnte gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. "Wenn so ein Fall vor dem VfGH landet, sind die Chancen groß, dass das Arbeitnehmerschutzgesetz in diesem Punkt gekippt wird", sagte Funk den "Salzburger Nachrichten".

Die Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereich hält Funk für möglicherweise wirkungslos – jedenfalls unterstreiche das eine Studie der Medizinischen Universität Wien. Aus ihr gehe hervor, dass bei einem Großteil der überprüften Lokale die Trennung der Bereiche offenbar nicht funktioniere. Gesundheitsschädliche Konzentrationen an Feinstaub in Nichtraucherbereichen wurden gemessen, die auf den Zigarettenrauch im Nebenraum zurückgehen. Die Vorkehrungen zum Nichtraucherschutz könnten dadurch wirkungslos sein, und wirkungslose Maßnahmen seien nicht verfassungskonform. Das besage das Sachlichkeitsgebot.

Vassilakou will Prüfung

Sowohl betroffene Arbeitnehmer als auch der Nationalrat mit einem Drittelantrag könnten eine Prüfung beim Verfassungsgerichtshof ins Rollen bringen. Aber auch Wien als Bundesland kann hier tätig werden, sagte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou am Donnerstag im STANDARD-Gespräch: "Mein Vorschlag ist, dass Wien den Verfassungsgerichtshof anruft", sagte die grüne Stadträtin.

Wenn Wien als Bundesland aktiv werde, würde der Prüfungsprozess schneller eingeleitet werden können als bei der Klage eines Betroffenen. "Das ist dann sonst ein sehr langwieriger Weg, da braucht es Jahre bis zu einer Entscheidung", sagte Vassilakou.

Die SPÖ wolle jede Chance ergreifen, um das Rauchverbotsgesetz doch noch in Kraft treten zu lassen, hieß es aus der Bundespartei am Donnerstag. Man wolle in den kommenden Tagen mit den Neos und der Liste Pilz sprechen, außerdem sollen die eigenen Experten die Rechtslage prüfen.

Kurz unspektakulär, Opposition erbost

Mit reichlich unspektakulären Antworten absolvierte Sebastian Kurz am Donnerstag seine erste "Fragestunde" als Bundeskanzler im Nationalrat. Das hinderte einige Abgeordnete der SPÖ nicht daran, so laut dazwischenzubrüllen, dass ein erboster Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Sitzung sogar länger unterbrechen ließ.

Anlass für die Missstimmung waren die Antworten des Kanzlers zum Rauchverbot in der Gastronomie. Kurz verwies einmal mehr darauf, dass dieser Punkt eben im Koalitionsvertrag enthalten sei. Bei Regierungsvereinbarungen müsse man Kompromisse eingehen, an die sich die Koalitionspartner zu halten hätten.

Angesichts des erfolgreichen Volksbegehrens gegen die Aufhebung des Rauchverbots betonte der Regierungschef, er und die gesamte Bundesregierung hätten Respekt vor Menschen, die sich derart engagieren. Man werde sich im Anschluss in der Regierung damit beschäftigen, und das Begehren werde auch im Parlament behandelt werden. (krud, APA, 1.3.2018)