Google will dem Android-Stern neuen Glanz verleihen.

Foto: Google

Seit Jahren wiederholt sich das gleiche Spiel: Google kündigt Verbesserungen an, die die Auslieferung von Android-Updates beschleunigen sollen, und darauf passiert: Exakt nichts. Was auch immer das Unternehmen in den letzten Jahren versucht hat, ob auf technischer oder organisatorischer Ebene, relevante Änderungen am Status Quo der Android-Welt hatte es nie zur Folge. Nun scheint Googles Geduld mit seinen Partnern aber endgültig ein Ende gefunden zu haben. In den vergangenen Monaten hat der Android-Hersteller gleiche mehrere Schritte gesetzt, die bei näherer Betrachtung eines gemein haben: Google will die Kontrolle über Android zurückgewinnen – und schreckt dabei nicht mehr davor zurück, langjährige Partner zu verärgern.

Eigene Hardware

Ein Teil dieser Strategie ist die Entwicklung eigener Hardware: Während man in früheren Jahren regelrecht notorisch darauf bedacht war, dass die Geräte der eigenen Nexus-Reihe ja nicht Samsung, HTC und Co. in die Quere kommen, klingt das im Jahr 2018 vollkommen anders. Bei der Entwicklung der Pixel-Smartphones gäbe es keinerlei Rücksichtnahme auf die Android-Partner mehr, betonte Googles Hardware-Chef unlängst im Rahmen des Mobile World Congress. Das heißt nicht nur, dass die Geräte deutlich stärker beworben werden, Google nutzt auch offensiv den Vorteil der verschränkten Entwicklung von Hard- und Software aus, den man als Android-Hersteller gegenüber anderen Lizenznehmern hat.

Google aktuelle Smartphones: Pixel 2 und Pixel 2 XL.
Foto: APA/AFP/ELIJAH NOUVELAGE

Der Unterschied zu früheren Zeiten könnte gerade bei diesem Punkt kaum größer sein: Als Google vor einigen Jahren Motorola übernahm, betonte man umgehend, dass der Mobiltelefonhersteller als vollkommen getrenntes Tochterunternehmen geführt werde und keinerlei Bevorzugung gegenüber Samsung und Co. erhalten soll. Doch selbst diese "Firewall" war so manchem Partner offenbar nicht genug: Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass der folgende Weiterverkauf von Motorola an Lenovo nicht zuletzt auf den Druck von Samsung zurückzuführen ist.

Auftritt: Android One

Die Entwicklung eigener Hardware bedeutet allerdings nicht, dass Google sich Android komplett einverleiben will. Auch in Zukunft setzt man auf ein möglichst breites Ökosystem unterschiedlicher Hersteller. Immerhin ist Android nicht zuletzt ein Vehikel, um die Verbreitung von Google-Services zu maximieren, und dafür ist eine solche Vielfalt deutlich besser als die Dominanz eines einzelnen Herstellers. Die Vorstellung davon, wie die Android-Welt künftig aussehen soll, hat sich aber offenbar grundlegend gewandelt, und diese Veränderung lässt sich ganz gut unter einem Namen zusammenfassen: "Android One".

Nokia setzt ganz auf Android One.
Grafik: Nokia / Google

Unter diesem Label wird gerade eine neue Art der Kooperation zwischen Google und den Smartphone-Herstellern etabliert: Während die Partner für die Zusammenstellung der Hardware verantwortlich zeichnen, bestimmt Google die Softwareseite. Android-One-Geräte kommen also mit einem praktisch unveränderten "Stock Android", lediglich einzelne Apps dürfen die Hersteller hinzufügen. Im Gegenzug hilft Google sowohl bei Bewerbung als auch der Erstellung von Updates. Und das mit für die Kunden sehr erfreulichen Konsequenzen: Alle aktuellen Android-One-Geräte sollen mindestens zwei großer Betriebssystem-Updates sowie drei Jahre lang monatliche Sicherheitsaktualisierungen erhalten.

Das mag zwar noch immer recht bescheiden klingen, in der notorisch Update-faulen Android-Welt stellt dies trotzdem einen signifikanten Fortschritt dar. Erreichen doch derzeit nicht einmal die Topgeräte der großen Hersteller ein solches Niveau. Bei Android One gilt dieses Versprechen hingegen für alle Geräteklassen – und damit auch für Preisregionen, in denen die Smartphone-Anbieter ihre Update-Verantwortung meist gleich nach dem Verkaufsstart wieder vergessen.

Android Go

Und dann wäre da noch Android Go, Googles neue Initiative für die untersten Preisregionen – also den Bereich unter 100 Euro. Hier gibt es zwar kein formales Update-Versprechen, Google scheint aber trotzdem erheblichen Einfluss auf die Softwarezusammenstellung zu haben – und nutzt dies, um striktere Regeln durchzusetzen. Das legen zumindest die bisher unter diesem Namen vorgestellten Geräte nahe, die allesamt ein ziemlich unverändertes Android mit sich bringen.

Android

Basis-Umbau

Parallel zu all diesen neuen Initiativen hat Google aber auch technische Umbauten vorgenommen, die Googles neue Android-Vision erst möglich machen. Mit Project Treble wurde das Betriebssystem im Vorjahr praktisch vollständig umgekrempelt, und zwar vor allem mit einem Ziel: Die Erstellung von Updates leichter zu machen. Die ersten Früchte dieser Arbeiten sollten sich im Sommer bei der Veröffentlichung von Android P zeigen, also dem ersten großen Update nach der Treble-Reorganisation.

Da ergibt es sich natürlich hervorragend, dass praktisch alle aktuellen Android-One-Smartphones bereits Project Treble unterstützen. Es könnte also durchaus sein, dass all diese Geräte das Update auf Android P heuer bereits recht bald nach dessen Veröffentlichung erhalten werden. Immerhin hat Google ein gesteigertes Interesse daran, die Vorzüge von Android One zu betonen – und so auch den Druck auf andere Hersteller zu erhöhen, selbst ihr Update-Verhalten zu verbessern.

Peitsche statt Zuckerbrot

Damit wechselt Google in seinem Umgang mit Samsung und Co. vom sprichwörtlichen Zuckerbrot zur Peitsche. Und das ist durchaus nachvollziehbar: Gerade der südkoreanische Hardwarehersteller macht seit Jahren nur das absolute Minimum, um die Android-Regeln einzuhalten. Ansonsten schert man sich herzlich wenig um das restliche Android-Ökosystem – und das ist sowohl für Google als auch die anderen Hersteller schlecht.

Aber auch Samsung-Kunden sollten Interesse daran haben, dass sich dieser Zustand ändert: Neue Android-Generationen liefert Samsung nämlich bisher mit einem fast schon beeindruckenden Widerwillen aus. Nur zur Erinnerung: In den vergangenen Jahren hat Google nicht nur die Update-Erstellung deutlich erleichtert, sondern auch seinen Partnern vorab Zugriff auf den Quellcode gegeben und die Veröffentlichung neuer Android-Generationen im Jahr um mehrere Wochen nach vorne geschoben.

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Samsung-Boss DJ Koh hält die Kooperation mit Google und der restlichen Android-Welt seit Jahren auf dem absolut notwendigen Minimum.
Foto: SERGIO PEREZ / REUTERS

Am Upgrade-Zyklus von Samsung hat all das nicht das kleinste bisschen geändert: Die ersten Upgrades auf eine neue Android-Generation gibt es immer erst im folgenden Februar oder März – also wohl nicht ganz zufälligerweise zeitlich ziemlich nahe zur Vorstellung der folgenden Hardware-Generation. Dieses lange Warten hat also keine technischen Gründe, es ist schlicht eine strategische Entscheidung. Man konzentriert sich immer auf die nächste Smartphone-Generation, die ordentliche Versorgung aktueller Geräte mit Updates spielt hingegen keinerlei Rolle in den Überlegungen des Konzerns.

All das bedeutet natürlich auch, dass eine Auslieferung von Android P für das Galaxy S9 noch in diesem Jahr wenig wahrscheinlich ist – obwohl das gerade erst vorgestellte Spitzenmodell von Samsung "Project Treble" unterstützt. An diesem Umstand wird sich erst etwas ändern, wenn der Druck durch Android One erfolgreich ist, und die Konsumenten vermehrt zu den Geräten anderer Anbieter greifen. Freiwillig wird Samsung seine bisher finanziell sehr erfolgreiche Strategie jedenfalls nicht ändern.

Scheitern ist immer eine Möglichkeiten

Wie ernst es Google mit dem Wechsel der eigenen Android-Strategie ist, zeigt sich aber schon alleine an der Art, wie sich die Unternehmenskommunikation zuletzt verändert hat. Kaum ein aktueller Blogeintrag Googles, der nicht von den Vorzügen der "konsistenten Hardware- und Software-Erfahrung" bei purem Android spricht, und die Wichtigkeit regelmäßiger – und langfristiger – Updates betont. Geradezu sinnbildlich kann hier die Zusammenfassung Googles zum Mobile World Congress 2018 stehen: War man in früheren Jahren immer äußerst darauf bedacht, ja keinen Partner zu kurz kommen zu lassen, konzentriert man sich dieses Jahr praktisch zur Gänze auf Android One und Android Go. Dass Samsung im selben Rahmen das wohl meistverkaufte Android-Gerät des kommenden Jahres vorgestellt hat, wird hingegen gerade einmal mit einem Halbsatz abgehandelt.

Wieso jetzt?

Bleibt natürlich die Frage, wie es zu diesem Umdenken bei Google gekommen ist. Die Antwort darauf ist eigentlich recht simpel: Das alte System hat schlicht nicht mehr funktioniert. Es ist in Googles Interesse – und auch in jenem von Kunden und Entwicklern; dass sich neue Plattformversionen so schnell wie möglich verbreiten. Immerhin bringen die besten neuen Features oder Sicherheitsverbesserungen nichts, wenn sie nie bei den Usern ankommen. Und dass dies mit dem alten Ansatz nicht gewährleistet werden kann, haben die letzten Jahre eindrucksvoll bewiesen.

Nokia statt Samsung

Während Samsung geradezu sinnbildlich für das alte Android-Regime steht, bietet sich für die neuen Android-Zeiten ein anderer Name an: Nokia. Dessen Hersteller HMD Global hat sich voll und ganz hinter Googles Vision gestellt, und will all seine künftigen Geräte mit Android One ausstatten. Ob man damit erfolgreich sein wird, muss sich natürlich erst zeigen, die ersten Anzeichen sind aber durchaus vielversprechend. Gleichzeitig bleibt die Frage spannend, ob sich in den kommenden Monaten noch weitere namhafte Hersteller der Android-One-Initiative anschließen – oder es zumindest unabhängig davon endlich schaffen, ein vernünftiges Update-Versprechen zu etablieren. (Andreas Proschofsky, 4.3.2018)