Vor der iranischen Residenz wurde in der Nacht auf Montag ein Messerangreifer erschossen.

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Die Residenz des iranischen Botschafters am Tag nach der Attacke.

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Wien – Vor der Residenz des iranischen Botschafters in Wien-Hietzing spielten sich in der Nacht auf Montag dramatische Szenen ab: Gegen 23.35 Uhr soll nach aktuellem Erkenntnisstand der Behörden ein 26-jähriger österreichischer Staatsbürger mit ägyptischen Wurzeln auf einen dort postierten Wachsoldaten mit einem Messer losgegangen sein. Zur Abwehr des Angreifers habe der Soldat, Jahrgang 1994 und in Wien wohnhafter Tiroler, vorschriftsmäßig zunächst Pfefferspray eingesetzt, heißt es – doch vergeblich.

Im Zuge eines Gerangels, bei dem beide Männer zu Sturz kamen, machte der Soldat dann von seiner Dienstwaffe Gebrauch – und gab vier Schüsse aus seiner Glock 17 ab. Einer dürfte zur Warnung abgefeuert worden sein, ein anderer ging ins Leere, zwei Schüsse trafen den Angreifer – der noch am Tatort verstarb. Der von ihm attackierte Soldat trug eine Schnittwunde am linken Oberarm davon – und wurde mit schwerem Schock ins Spital gebracht.

Erste Konsequenzen

Dass der Uniformierte den folgenschweren Vorfall vor der Villa Blaimschein in der Wenzgasse – im Inneren hielt sich zur Tatzeit der Botschafter mit seiner Frau und zwei Kindern auf – überlebt hat, ist gemäß Einschätzung der Polizei vor allem auch seiner Stichschutzweste zu verdanken. Wie eine erste Videoauswertung ergab, soll der Täter unzählige Male auf den Soldaten eingestochen haben. Dazu Polizeisprecher Harald Sörös zur APA: "Ohne diesen Schutz wäre er tot gewesen, hundertprozentig."

Als erste Konsequenz ordnete Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) am Montagnachmittag für die nächsten 72 Stunden doppelte Bewachung vor den neun diplomatischen Einrichtungen in Wien an, die vom Bundesheer in Assistenz für das Innenministerium seit August 2016 geschützt werden. Hintergrund: In der Regel patrouilliert dort nur ein Soldat, ein zweiter wacht meist im Gebäudeinneren – oder bei der nächstgelegenen Polizeiinspektion, wie es in Hietzing der Fall war.

Dazu wurde der Generalstab schon Montagvormittag umgehend damit beauftragt, zu überprüfen, ob die Ausrüstung der rund 120 für den Objektschutz eingesetzten Soldaten nun verstärkt werden soll – angedacht sind vorläufig etwa Helme statt Barette, aber auch Kugelschutzwesten, wie ein Sprecher von Kunasek dem STANDARD erklärte.

Demnächst sollen außerdem die Experten des Innenministeriums mit dem Generalstab eine Einschätzung der Gesamtsituation treffen – also, ob man von einer höheren Gefährdungslage in Österreich ausgehen muss. In die Gesamtbeurteilung einfließen soll auch, ob es künftig etwa mehr Polizei oder Soldaten vor sensiblen Einrichtungen brauche.

Cobra drang in Wohnung ein

Laut Polizei handelt es sich bei dem Angreifer um einen gebürtigen Österreicher namens Mohamed E. Das Einsatzkommando Cobra sowie die Ermittler des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung durchsuchten am Montag seinen Wohnsitz im Bezirk Penzing.

Beitrag aus der "ZiB" um 13 Uhr.
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Vorerst könne nichts wirklich ausgeschlossen werden, auch nicht ein terroristischer Hintergrund oder religiöse, politische und selbst "sonstige", völlig anders gelagerte Beweggründe bis hin zu psychischen Problemen, erkärte Polizeisprecher Sörös. Die Verfassungsschützer seien dabei, "das gesamte Umfeld zu durchleuchten, Handy- und E-Mailverläufe zu untersuchen, Freunde und Angehörige zu befragen, in der Wohnung gefundene Schriftstücke zu analysieren" – und auch festzustellen, ob der Mann Kontakt zu bestimmten Glaubensgemeinschaften gehabt habe und ob sich in seinem Besitz einschlägiges Werkzeug oder Anleitungen befanden.

Konkret wurden bei der Hausdurchsuchung, die gegen 13:30 Uhr abgeschlossen war, elektronische Datenträger sowie ein Handy und ein PC sichergestellt. Die Auswertung dieser Datenträger ist im Gange, die Ermittler erhoffen sich aus den Daten Rückschlüsse zum Motiv. Die Sichtung kann unter Umständen jedoch mehrere Tage in Anspruch nehmen.

Ohne schon ein konkretes Motiv für die Tat zu liefern, legen das Facebook- und das Twitter-Profil des Mannes jedenfalls ein starkes Interesse am Islam nahe. Er soll dort auch einer Iran-feindlichen prosunnitischen Gruppe sowie bekannten Islamisten gefolgt sein.

Hier fand die Attacke auf den Bundesheersoldaten statt.
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Bis Montagnachmittag habe es keine Beweise dafür gegeben, dass der 26-Jährige in die Residenz eindringen wollte, der Mann sei geradlinig auf den Wachposten zugegangen.

Der Soldat wurde durch den heerespsychologischen Dienst betreut. Wie nach Schußwaffengebrauch üblich, wird beim Heer eine interne Untersuchungskommission eingesetzt.

Oberst Michael Bauer erklärt, seit wann Soldaten Botschaften überwachen und wie diese ausgebildet sind.
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Bei dem Vorfall in Hietzing handelt sich um die zweite Messerattacke mit schweren Folgen auf offener Straße in Wien innerhalb weniger Tage: Erst am Mittwochabend hat ein 23-Jähriger beim Nestroyplatz in der Leopoldstadt eine dreiköpfige Familie schwer verletzt. Kurz darauf stach der Afghane am Praterstern noch einen Landsmann nieder, ehe er gefasst wurde. (Nina Weißensteiner, 12.3.2018)