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Es sei das Innenministerium unter Herbert Kickl (FPÖ) gewesen, das wesentliche Hinweise lieferte, die dann in die Razzia mündeten, sagt Justizminister Josef Moser (ÖVP), der am Mittwoch mit seinem Generalsekretär Christian Pilnacek zur BVT-Affäre Stellung nahm.

Foto: reuters/foeger

Warum war es notwendig, dass 58 Beamte in den Morgenstunden des 28. Februar in Büros des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und in vier Privatwohnungen von BVT-Mitarbeitern eindrangen? Weil es den akuten Verdacht gab, dass sensible Daten via Fernlöschung vernichtet werden, sagte Justizminister Josef Moser auf einer Pressekonferenz Mittwochfrüh.

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Beweise sichern

Einer der fünf derzeit des Amtsmissbrauchs beschuldigten Beamten verfüge nämlich über "die jederzeitige Datenlöschungsbefugnis mittels Fernzugriff", sagte Moser. Um zu vertuschen, dass Daten missbräuchlich aufbewahrt worden sind, hätte der Beschuldigte diese Daten von außen löschen und damit wichtige Beweismittel vernichten können. Genau diese Befürchtung habe die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) veranlasst, kurzfristig eine Hausdurchsuchung anzuordnen.

Widersprüche

Das steht jedoch im Widerspruch zu STANDARD-Recherchen, wonach eine solche Fernlöschung nicht möglich ist, ohne protokolliert zu werden. Demnach steht der Datenzugriff von außen den EDV-Administratoren zu, zudem haben Chefs und bestimmte Führungskräfte einen sogenannten Fernzugriff. Daten kopieren und herunterladen kann man auf diesem Weg nicht. Würde man etwas löschen, würde das in einem Protokoll festgehalten.

Gridling wehrt sich

Der vorläufig vom Dienst freigestellte BVT-Chef Peter Gridling, der am 8. März von der Staatsanwältin befragt wurde, will sich nun gegen seine Suspendierung zur Wehr setzen. Zuständig dafür ist die Disziplinarkommission beim Bundeskanzleramt, die Entscheidung trifft dann ein Disziplinarrat. Gridling soll bis zum heutigen Tag nicht wissen, was ihm konkret vorgeworfen wird.

Auch weitere Beschuldigte kritisieren, dass es keine konkreten Vorwürfe gegen sie gebe. Das und die Tatsache, dass sie nicht wissen, was die Zeugen über sie sagen, mache die Rechtfertigung schwierig.

Schlag auf Schlag

Interessante Einblicke in die Rolle von Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber lieferte jene Chronologie der Ereignisse, die Moser am Mittwoch vortrug: Demnach sei es Goldgruber gewesen, der erst den Zündstoff für die Hausdurchsuchung geliefert hatte. Interessanterweise habe aber nicht Goldgruber den Erstkontakt zur WKStA gesucht, sondern der Wiener Anwalt Gabriel Lansky, der sich wie berichtet als mutmaßlich Geschädigter eines etwaigen Datenmissbrauchs dem Strafverfahren angeschlossen hat. Am 16. Jänner dieses Jahres, so Moser, habe Lansky in der WKStA angerufen, um mitzuteilen, dass Goldgruber "um ein Treffen bitte", und zu bekunden, dass das Innenministerium "großes Interesse an der Aufklärung der Sache" habe. Lansky wollte dazu auf STANDARD-Anfrage am Mittwoch nichts sagen.

Erst zwei Tage nach Lanskys Anruf, am 18. Jänner, habe sich Goldgruber selbst telefonisch an die WKStA gewandt und ein Treffen für den 19. Jänner vereinbart, schilderte Moser. An jenem Tag habe Goldgruber den Staatsanwälten ein Konvolut an anonymen Hinweisen übergeben – einerseits das vielzitierte Dossier eines Autors aus dem BVT-Umfeld, andererseits aber auch neue Hinweise. Goldgruber habe dabei auch betont, dass man das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) nicht in die Sache involvieren könne, da womöglich auch einzelne BAK-Mitarbeiter zum Kreis der Verdächtigen zählen.

Kickl-Vertrauter ging mit

Wiederum einen Tag später ein neuerlicher Anruf Goldgrubers bei der Staatsanwältin: Er habe nun einen Zeugen anzubieten. Dieser Zeuge kam kurz danach in die WKStA, um dort auszusagen, wobei er einen Kabinettsmitarbeiter von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) als "Vertrauensperson" beigezogen hatte. Derselbe Kickl-Vertraute begleitete tags darauf auch den anonymen Zeugen Nummer zwei zum Termin bei der Staatsanwältin. In den Tagen darauf seien dann die zwei weiteren anonymen Zeugen aufgetaucht, diesmal allerdings ohne Kabinettsmitglied.

Erst aus diesen Zeugenaussagen habe sich die Dringlichkeit einer Razzia ergeben, so Pilnacek – eben aufgrund der Gefahr, es könnten Beweise vernichtet werden. Warum man bei so einem dringenden Verdacht aber nicht gleich Untersuchungshaft verhängt habe? Pilnacek dazu sinngemäß: Ja, es habe ein Tatverdacht bestanden, der gerade dringend genug für eine Razzia war – aber nicht dringend genug für die Verhängung von U-Haft.

Dass die Razzia von der Einsatztruppe gegen Straßenkriminalität (EGS) durchgeführt wurde, hatte für Schlagzeilen gesorgt: Die Truppe wird von einem FPÖ-Politiker geleitet, bei der Razzia wurde umfangreiches Material über die rechtsextreme Szene mitgenommen – die Befürchtung, die sensiblen Daten könnten in falsche Hände gelangen, stand im Raum. Moser und Justizministeriums-Generalsekretär Christian Pilnacek versuchten zu beruhigen: Die EGS habe nur den "Zugriff auf technisches Gerät" – etwa das Aufbrechen einer Stahllade – ermöglicht, sei aber "nicht mit der Sicherstellung von Daten beschäftigt" gewesen, so Pilnacek. (Renate Graber, Maria Sterkl, 14.3.2018)