Mitte Februar protestierten Frauenorganisationen und Bundestagsabgeordnete für die Abschaffung von Paragraf 219a.

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Anfang März gingen Abtreibungsgegnerinnen und -gegner in Frankfurt auf die Straße.

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Berlin/Wien – Empörte Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Mit den Worten "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten" kommentierte die Ärztin Kristina Hänel im ZDF-"Morgenmagazin" am Donnerstag die neuerliche Kursänderung der SPD beim Werbeverbot für Abtreibungen, dem umstrittenen Paragrafen 219a. Hänel selbst war im November 2017 wegen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Website zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden.

Hänels Fall brachte die Debatte ins Rollen, damals wurde der Paragraf von einer Mehrheit der Fraktionen im deutschen Bundestag kritisiert, eine Änderung schien in greifbarer Nähe. Doch zu diesem Zeitpunkt stand für die SPD, die den Gesetzesentwurf einbringen wollte, noch Opposition statt Koalition auf dem Plan. Nun ist sie Teil einer Regierung mit der Union – und CDU sowie CSU lehnen eine Abschaffung des Paragrafen ab, erwogen sogar, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Anfang März wollte die SPD den Antrag noch einbringen, diese Woche hieß es: "Die SPD-Bundestagsfraktion wird ihren Gesetzentwurf zum Paragraf 219a des Strafgesetzbuches jetzt nicht zur Abstimmung stellen." In der abgestimmten Erklärung von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wird die Bundesregierung aufgefordert, Möglichkeiten einer Lösung zu prüfen und einen Vorschlag vorzulegen. Man wähle das in Regierungen übliche Verfahren, kommentierte Nahles die Vorgangsweise.

Kritik innerhalb der SPD

Innerhalb der Sozialdemokraten rumort es dennoch. Elke Ferner, Vorsitzende der SPD-Frauen und Parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium, sagte der Zeitung "Die Welt", sie halte die Entscheidung für einen Fehler. Hier gehe es "um eine Gewissensentscheidung und nicht um eine Koalitionsfrage".

Die Kritik an Paragraf 219a bezieht sich darauf, dass er den Zugang zu Informationen über das ärztliche Leistungsangebot zu Abtreibungen unterbinden könnte. Strafbar macht sich demnach, wer Schwangerschaftsabbrüche in "grob anstößiger Weise" oder "seines Vermögensvorteils wegen" öffentlich "anbietet", "ankündigt" oder "anpreist". Immer wieder werden deshalb Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland angezeigt, wenn sie Abtreibungen unter ihren Leistungen anführen.

Grüne und Linke hatten vergangenes Jahr bereits die Abschaffung von Paragraf 219a gefordert, die FDP sich für eine "moderate Änderung" ausgesprochen – mit der SPD wäre also eine Mehrheit zumindest für eine Abschwächung möglich gewesen. Union und AfD waren dagegen.

Opposition spricht von "Kniefall" und "Mutlosigkeit"

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf der SPD nun "Mutlosigkeit" vor. "Kaum in der Koalition, und schon dieses Weichwurstverhalten", sagte Bartsch am Dienstag. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws, bezeichnete den Schritt als "Kniefall der SPD vor der Union". Der Regierungsbeginn sei ein "schlechter Tag für die Rechte von Frauen und für die Rechtssicherheit von Ärztinnen und Ärzten".

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) kündigte Widerstand an. Der "Welt" sagte er, die FDP werde bei den anderen Fraktionen für ihren eigenen Antrag zum Paragrafen 219a werben. "Und dann will ich sehen, wie die SPD im Parlament gemeinsam mit AfD und Union gegen diese Reform des Strafrechts stimmt."

Kein Werbeverbot in Österreich

An den strafrechtlichen Regelungen zur Abtreibung wurde in Deutschland seit 1995 nichts geändert. Damals wurde der Schwangerschaftsabbruch zwar verboten, aber, ähnlich wie in Österreich, unter bestimmten Bedingungen straffrei gestellt.

In Österreich gibt es kein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Auch die in Deutschland verpflichtende dreitägige Bedenkfrist zwischen Beratungstermin und Abtreibung gilt in Österreich nicht – die Fristenregelung sieht lediglich eine dem Schwangerschaftsabbruch "vorhergehende ärztliche Beratung" vor. (maa, 15.3.2018)