Literaturnobelpreisträgerin aus Rumänien: Herta Müller.

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Bei rumänischen Autoren müssen die meisten passen. In Statistiken rangieren Übersetzungen aus dem Rumänischen weit hinten, nur drei oder vier Bücher schaffen es jedes Jahr, auf Deutsch zu erscheinen. Als Gastland der Leipziger Buchmesse ist es heuer ein Vielfaches: 40 frische Titel liegen am Messestand auf.

Seit zehn Jahren ist Zsolnay aus Wien der Hausverlag von Mircea Cartarescu, dem derzeit wichtigsten und erfolgreichsten rumänischen Schriftsteller. Die Orbitor-Trilogie (2007-2014) hat ihn berühmt gemacht, 2015 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Die 1800 Seiten spielen vor dem Hintergrund des Ceausescu-Regimes, der Revolution 1989, des so bedingten gesellschaftlichen Wandels.

Es ist oft die wechselvolle Historie, die den Autoren, seien die Texte dann auch ironisch oder surreal, Stoff liefert. Viele wichtige Hervorbringungen der letzten Jahrzehnte setzen sich kritisch mit ihr auseinander – nicht nur im OEuvre der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller (Atemschaukel), deren Werke auch vom kommunistischen Regime handeln.

Im Original bereits 1984 erschienen, folgt Stefan Agopians Handbuch der Zeiten nun spät die deutsche Ausgabe (Verbrecher-Verlag). Weil es im frühen 19. Jahrhundert spielt, erkannte die Zensur einst Aussagen zum Sozialismus darin nicht. Politik steckte oft auch zwischen Verszeilen. Denn wo Zensur, da Strafe.

Aufbau weniger Autoren

Eben sind Varujan Vosganians Als die Welt ganz war und Catalin Mihuleacs Oxenberg & Bernstein auf Deutsch erschienen, beide bei Zsolnay. Wegen der guten Resonanz auf Cartarescu, so Verlagsleiter Herbert Ohrlinger zum STANDARD, beschäftige man sich schon lange intensiv mit Rumänien. Dessen Kulturinstitut fördere Übersetzungen zwar, trotzdem sei es ökonomisch nicht möglich, mehr als zwei oder drei in einem Jahresprogramm zu bringen. Man baut Autoren hierzulande erst auf.

Warum sie bisher wenig entdeckt sind? Der rumänische Buchmarkt ist mit knapp 19 Millionen Muttersprachlern klein, ebenso die Auflagen. Nur 60 Millionen Euro setzt die Branche jährlich um. Seit es Fernsehen als Realitätsflucht gibt, hat die Literatur massiv verloren. In Rumänien wird EU-weit am wenigsten gelesen, kaum ein Autor kann vom Schreiben leben. Der bekannte Lyriker Mircea Dinescu hat als Broterwerb eine TV-Kochshow.

Es gebe zwei bis drei große Verlage, so Ohrlinger, die er sich anschaue. Ohne Kontakte zu Übersetzern ist man aber verloren. Sie helfen als Spürnasen. Der deutsche Buchmarkt als einer der weltgrößten kann den Versuch von Entdeckungen noch am ehesten wagen.

Ernest Wichner, der Vosganian und Mihuleac für Zsolnay übersetzt hat und für den Übersetzungspreis dieser Buchmesse nominiert war, gab in einem Interview an, beide Bücher hätten "die Präsenz der Zeitgeschichte, des in der jüngeren Geschichte nicht ausreichend Bedachten, Aufgearbeiteten, Aufgeklärten" gemein.

Chaotisch, kompliziert und damit hemmend sind die Zustände im Land immer noch: In zwei Jahren gab es fünf Kulturminister. Ein Beispiel auf niedrigerer Ebene ist der Schriftstellerverband, der von jedem verkauften Buch zwei Prozent des Preises erhält, die Einnahmen aber als Stipendien intransparent weitergibt. Prozesse sind anhängig, das Vertrauen der Autoren in ihre Vertretung erschüttert. Kein Wunder, ist doch "rezist" ein vielerorts gegenwärtiger Kampfbegriff: "Widerstehen". (Michael Wurmitzer aus Leipzig, 16.3.2018)