Impfstoffe enthalten entweder tote oder lebendige Erreger. Das Immunsystem reagiert darauf auch unterschiedlich, wie Forscher herausgefunden haben.

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Eine Impfung funktioniert so: Das Immunsystem des Körpers wird mit einem vorher unbekannten Krankheitserreger konfrontiert. Auf diese Weise trainiert, kann das Immunsystem später bei einer echten Infektion schnell und erfolgreich den Erreger bekämpfen und eine Erkrankung abwenden. Obwohl Lebendimpfstoffe schon seit rund 200 Jahren erfolgreich eingesetzt werden, ist bisher wenig darüber bekannt, wie der effektive Schutz aufgebaut wird.

Forscher der Charité, Universitätsmedizin Berlin, haben nun entdeckt, dass Moleküle, die nur von lebenden Erregern gebildet werden, vom Immunsystem erkannt werden und daraufhin eine schützende Immunantwort auslösen.

Helferzellen aufrüsten

Eine der Hauptaufgaben des Immunsystems besteht darin, körperfremdes Material zu erkennen. In speziell abgeschirmten Organellen wird das von spezialisierten Immunzellen aufgenommene, fremde Material im Inneren der Zelle in kleinere Bruchstücke zerlegt, sozusagen "verdaut". Anders als bei Totimpfstoffen, enthalten Lebendimpfstoffe Mikroben mit einem aktiven Stoffwechsel, über den eine Vielzahl verschiedener Moleküle produziert werden.

Eines dieser Moleküle ist die Ribonukleinsäure (RNA). Während des Verdauungsprozesses wird die RNA eines Erregers oder eines Lebendimpfstoffs von einem bestimmten Rezeptortyp der Immunzellen gebunden, dem sogenannten Toll-like-Rezeptor-8 (TLR8). Die Bindung von RNA an TLR8 löst in der Immunzelle eine molekulare Kettenreaktion aus, an deren Ende eine starke Antikörperbildung gegen den Erreger steht. Dies wird dadurch möglich, da TLR8-Signale einen speziellen Typ von Immunzellen auf den Plan rufen, die sogenannten follikulären Helferzellen.

Diese Helferzellen unterstützen die B-Zellen des Immunsystems dabei, sich in Antikörper-produzierende Hochleistungsfabriken für die Infektionsabwehr zu verwandeln. Die Forscher wollen herausfinden, durch welche Hilfsstoffe in Impfungen, sogenannten Adjuvantien, die follikulären Helferzellen stärker aktivierbar sind. Denn die bisher gebräuchlichen Adjuvantien seien unspezifisch und zum Teil nicht ausreichend effektiv, wie die Wissenschafter betonen.

Zentraler Schalter für schützende Immunantwort

Für ihre Studie arbeiteten die Forscher mit menschlichen Immunzellen und verglichen die Immunantwort bei lebenden und toten Bakterien. Es stellte sich heraus, dass lebende Bakterien leicht veränderte Immunantworten im angeborenen Immunsystem auslösen. Die kleinen Änderungen hatten jedoch starke positive Effekte auf die sogenannte erworbene Immunantwort. So konnte etwa gezeigt werden, dass der Tuberkulose-Lebendimpfstoff BCG Menschen mit einer aktiveren Genvariante von TLR8 deutlich besser vor Tuberkulose schützt.

Die Forscher gehen davon aus, dass TLR8 wahrscheinlich einen zentralen Schalter für schützende Impfantworten darstellt. "Der Unterschied zwischen den Abwehrreaktionen auf tote oder lebende Impfstoffe besteht darin, dass die RNA lebender Erreger durch das Immunsystem erkannt wird und über TLR8 schützende Immunreaktionen auslöst", fasst Studienleiter Leif Erik Sander die Ergebnisse zusammen.

Derzeit untersuchen die Wissenschafter die Funktionsweise des Masernimpfstoffs und arbeiten gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung an neuen Impfstoffen gegen Lungenentzündung. (red, 22.3.2018)