"Nicht jeder findet uns lustig", sagt Clownfrau Martina Haslhofer.

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Wien – Ihre Welt ist nicht die große Showbühne. Sie arbeiten im Verborgenen und nennen sich Ernesto Stoppel, Liesl Ribisel oder Felix Sirius Helfgott Bewölkt. Ihr Erkennungszeichen: eine rote Nase, dazu rosa Wangen, bunte Kleidung und ein Hut. Perücken und Masken sind ein absolutes No-Go.

Denn: Nicht jeder findet Clowns nett, sympathisch und zum Lachen. Manche erschrecken sich vor ihnen, brechen regelrecht in Panik aus. Coulrophobie wird das im Fachjargon genannt. Wie die Angst vor Spinnen zählt sie zu den spezifischen Phobien, die sich auf ein bestimmtes Objekt beziehen. Dabei gilt: je mehr Maskerade und Make-up, desto furchteinflößender. Das Prinzip der Clowndoktoren lautet deshalb: "Ich muss als Mensch wahrnehmbar bleiben", erklärt Martina Haslhofer, die seit mehr als 20 Jahren Teil der Roten Nasen ist.

Das positive Image der Spaßmacher im Arztkittel nährt sich primär aus der Arbeit mit Kindern. Die Clowns bringen Humor in den medizinischen Alltag und lassen zumindest für kurze Zeit Krankheit und Schmerzen in den Hintergrund treten. Studien geben jedenfalls erste vorsichtige Hinweise darauf, dass die stationäre Clownerie mehr ist als nur ein Unterhaltungsprogramm.

Clown heißt gleich Emotionen

Was weniger bekannt ist: Die Roten Nasen besuchen auch regelmäßig Menschen in Pflegeeinrichtungen und Seniorenheimen. Entweder wöchentlich oder im 14-Tages-Rhythmus. Nicht selten entwickeln sich zu Bewohnern jahrelange Beziehungen.

Der große Unterschied: "Ältere Menschen lachen über ganz andere Dinge als Kinder", sagt Haslhofer. Während sich die Kleinen über Tollpatschigkeit und Missgeschicke zerkugeln können, mögen Senioren eher Sprachwitz und Doppeldeutigkeiten. "Manchmal ist auch eine Prise schwarzer Humor dabei, der muss aber von den Bewohnern selbst kommen. So kann er zu einer Ressource werden, um mit schwierigen Lebenssituationen zurechtzukommen", so die Expertin. Nach dem Motto: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht."

Doch braucht es dazu einen Hanswurst mit rosa Bäckchen? Würde es nicht reichen, einen Alleinunterhalter in Zivil auftreten zu lassen? "Clowns wecken automatisch Gefühle. Viele finden sie lustig, manche sind genervt, aber alle reagieren emotional auf diese Figur", ist Haslhofer überzeugt. Diese Gefühlsebene helfe, um miteinander in Kontakt zu kommen, eine Beziehung aufzubauen. Besonders in der Arbeit mit demenzkranken Menschen konnte sie das beobachten. "Es ist nicht selten, dass sich Bewohner mit Demenz den Wochentag merken, an dem wir sie besuchen. Auch dann, wenn die zeitliche Orientierung ansonsten schon schlecht ist."

"Schleichts euch"

Bevor ein Clownsduo mit der "Visite" beginnt, bespricht es sich mit Pflegepersonal, Psychologen und Ärzten. Nicht über Diagnosen oder Medikamente, sondern über die Bewohner. Wer in welchem Zimmer lebt, was sie mögen, wofür sie sich interessieren, welche Biografie der Einzelne hat. Es gibt kein fixes Programm. Es geht auch nicht darum, wie in einer Zirkusmanege für laute Lacher zu sorgen. Ziel ist es, auf jeden Bewohner individuell einzugehen. Sich darauf einzulassen, was in der Interaktion passiert.

Dennoch: "Nicht jeder findet uns lustig. Zum Glück sind ältere Menschen hier sehr direkt", wie Haslhofer aus Erfahrung weiß. So ist es schon vorgekommen, dass ein Bewohner die farbenfrohen Besucher mit einem "Schleichts euch", hinauskomplimentiert hat.

Haslhofer hat auch dafür Verständnis. "So ein Satz kann ungemein befreiend sein." In solchen Situationen sei wichtig, dem Gegenüber zu zeigen, dass sein Verhalten in Ordnung ist. "Häufig entsteht zu den Menschen, die uns beim ersten Besuch rausgeschmissen haben, ein guter Kontakt. Vorausgesetzt, der Mensch fühlt sich angenommen, auch wenn er nicht lieb und nett war." (Günther Brandstetter, 24.3.2018)