Wahrscheinlich ist es die berühmteste Szene der gesamten Fernsehgeschichte: Jener Moment, in dem der ein Jahr lang tot geglaubte und tränenreich betrauerte Bobby Ewing der Duschkabine entsteigt, live und wahrhaft, und seine liebreizende Gattin Pamela in den Arm nimmt, die gerade wieder einmal ziemlich neben sich zu stehen scheint. Der Tod des Serienschmusebären – alles nur ein böser Traum.

Storm

Sehr ähnlich und doch ganz anders war es bei Roseanne. Als die für zwei Staffeln ausgestiegene Lecy Goranson, Darstellerin von Roseannes ältester Tochter Becky, in der achten Season ihre Vertretung Sarah Chalke ablöst, blafft die Mutter die Heimkehrerin an: "Wo warst du, zum Teufel?"

Jetzt: Alle Achtung! Wer nichts, aber auch gar nichts über künftige Ereignisse wissen will außer der Tatsache, dass die unheiligste Muttergottes des US-Serienuniversums kurz vor ihrer Wiederauferstehung steht, muss die nächsten Zeilen überspringen, darf aber im darauffolgenden Absatz frohgemut wieder einsteigen.

TV Guide

Mit einem ähnlichen Schmäh manövriert sich Roseanne nämlich am kommenden Dienstag ins US-Fernsehen zurück: "Ich dachte, du bist tot?", schnauzt sie, um mehr als zwei Jahrzehnte gealtert, aber noch immer in fröhlicher Auskotzlaune ihren Gatten an. Er, Dan, war 1997 im Finale offiziell dahingeschieden, was nicht nur stimmungsmäßig Tiefpunkt der ganzen Serie war. Davon später.

Wer das braucht

Der Trailer, in dem dies zu sehen ist, sorgt seit Ende vergangenen Jahres für kollektives Aufatmen: Sie ist es. Sie kann es. Noch immer. Trotzdem steht eine große Frage im Raum, deren Antwort genauerer Erläuterung bedarf: Wer braucht das?

Dazu muss man ausholen.

Es begann am 18. Oktober 1988, als Mrs. Roseanne Conner, wohnhaft in Delaware Street, Lanford, Illinois, und dargestellt von Roseanne Barr, erstmals am Familientisch Platz nahm und mit Pizzaschnitten warf – umschwärmt von Dan, den Kindern Becky, Darlene und D. J., von ihrer Schwester Jackie und ihrer Freundin Crystal. Begleitet wurde dieses Intro, das die gesamte Spielzeit dasselbe war, von bluesigen Saxofonklängen, komponiert von Dan Fogliart und Howard Pearl, an dessen Ende die Titelheldin ihr unverkennbares Gackerlachen nachschickte. A Star was born!

Jan Schmelter

Keiner, den man mit bisherigen vergleichen konnte. Fernsehserien in den 1980ern, das war bis dahin mehrheitlich so ähnlich wie die Frisuren jener Zeit: klebrig und schlecht geschnitten wie Mord ist ihr Hobby, Ein Engel auf Erden, Remington Steele. Noch Fragen?

Speck und spucken

Roseanne bereicherte das Familienbild des US-Fernsehens, indem sie es zerkaute und an ihm zerrte wie an einem Stück Speck, um das sich die Familienmitglieder des Morgens gern rauften, um es danach nach Herzenslust wieder auszuspucken. Nichts an ihr und ihrem Clan hatte Ähnlichkeit mit den gläsernen Serienmüttern, angefangen von der lieblustigen Kate Tanner aus Alf bis zur reizenden Claire Huxtable aus der Cosby-Show. Frau war bis dahin entweder gute Mutter oder fade Tussi, und war sie keines von beiden, musste sie verlieren. Sue Ellen Ewing war so eine, reich und unglücklich. Damit konnten die Produzenten etwas anfangen.

In der amerikanischen Unterschichtfamilie hingegen war ebenfalls die Hölle los. Der große Unterschied: Es war viel lustiger! Roseanne, übergewichtig, ungeschminkt und meistens schlecht gelaunt, setzte den geschleckten und gescheiterten Müttern ein Gegenbild vor, das unansehnlicher, aber doch realer war, als märchenverliebte Produzenten ihrem Publikum zumuten wollten: das real existierende moderne Matriarchat der Arbeiterklasse.

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Foto: AP

Mit schriller Stimme setzte es für alle, die dumm dastanden, verbale Watschen, dass es nur so kleschte. Quadratisch, praktisch, feministisch war sie ihrer Sippe die beste Mutter, Ehefrau, Schwester und Freundin, die man sich vorstellen konnte. Mehr als einmal zog sie den Karren aus dem Dreck, meist zusammen mit Dan, der anpackte, selten ganz vorn stand, sich aber trotzdem nie in zweiter Reihe sah. Später wird Roseanne sagen: "Das sind die 90er, Dan. Frauen sind Hexen."

Und so ging es durch die Jahre, wir sahen Becky pupsen, waren dabei, als Darlene zum ersten Mal menstruierte, als D. J. Mädchen verschreckte. Und wir waren dabei, als Jackie von ihrem Freund verprügelt, Crystal sitzen gelassen und Nancy lesbisch wurde, als es um Abtreibung ging, um Rassismus, um Jugendkriminalität. Es wurde geliebt, gestritten, gearbeitet, einfach gelebt – am Fließband (übrigens mit George Clooney als naturgelockter Jung-Boss), im Friseurladen, im Schnellimbiss, im Schlafzimmer, in der Waschküche, im Hobbyraum und auf dem Sofa.

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Dort war einiges los: Roseanne fiel in die Blütezeit der Sitcoms. Aus den Konserven schepperten die Lacher, dass es nervte und trotzdem eine Freude war. Denn genau dieses trashige Genre brachte das Fernsehen weiter, weil es Vielfalt und vor allem mehr Spaß bereithielt, siehe Golden Girls, Wer ist hier der Boss? und natürlich Al Bundy, Häuptling aller Stinker aus Eine schrecklich nette Familie.

Doch zurück zu Roseanne, wo sich der Ruhm rasch einstellte. Schon in der zweiten Saison war die Show die meistgesehene in den USA, besser als die bis dahin unerreichte Cosby Show. Das erwies sich als gut und schlecht zugleich, denn Erfolg verdirbt manchmal den Charakter. Im vorliegenden Fall lässt sich nicht schlüssig dokumentieren, ob nicht schon vorher Tendenzen zur Verderbtheit vorhanden waren. Im richtigen Leben dürfte die gute Roseanne nämlich eine ziemliche "bitch" gewesen sein.

Skandalnudel

Von Beginn an herrschte wenig Zurückhaltung, so war der Autor Matt Williams seinen Job nach nur einer Staffel los. Beim Dreh sollen die Fetzen geflogen sein. Mit ihrem Kurzzeitgatten, dem Schauspieler und Produzenten Tom Arnold, soll es lautstarke Auseinandersetzungen gegeben haben. Das Set galt als schlimmster Arbeitsplatz der Serienwelt. Spätestens im Juli 1990 wurde Barr zur viel gehassten Skandalnudel, als sie vor einem Baseball-Match die amerikanische Hymne völlig falsch ins Stadion krähte und am Ende in Spieler-Manier auf den Boden spuckte. Gnadenloses Buhen.

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In der Serie vergingen die Jahre, die Kinder wurden größer, die Zuschauer weniger, die Geschichten traniger, und irgendwann beschlossen Sender und Hauptdarstellerin, dem Treiben ein Ende zu setzen. Was folgte, war der bereits erwähnte Tiefpunkt der Serie zum Schluss: Die Conners waren Millionäre (!), Dan hatte einen Herzinfarkt nicht überlebt. Es war traurig, es war pathetisch, kurz: Es war höchste Zeit.

Danach kamen ein paar Jahre Halligalli. Barr hatte eine Talkshow, startete ihre politische Karriere mit teilweise fragwürdigen Aktionen: Für ein Magazin ließ sie sich als "Domestic Goddess Hitler" fotografieren, machte die Adresse eines Straftäters öffentlich und hegte Sympathien für Verschwörungstheorien aller Art. 2012 wollte sie für die Grünen US-Präsidentin werden, 2016 bezeichnete sie sich als "alte Sozialistin", bevor sie – ja, Sie lesen richtig – Donald Trump unterstützte.

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Mit Einschränkungen, wie man fairerweise hinzufügen muss. Viele Aussagen des US-Präsidenten seien "bullshit", sagt die 65-Jährige, und für die Figur "Roseanne Conner" mache die politische Einstellung Sinn, sagt Barr. Schließlich habe die Arbeiterklasse Trump zum Wahlsieg verholfen. So what!

Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang jene Stimme, die von 1991 bis 1997 in 222 Folgen Roseanne in deutschsprachigen TV-Haushalten war: Die Schauspielerin Regina Lemnitz, Synchronsprecherin von Whoopi Goldberg, Kathy Bates und Diane Keaton, übernahm den Part. Ob Lemnitz auch die neuen Folgen sprechen können wird, ist noch offen – derzeit ist noch kein deutschsprachiger Sender bekannt, der Roseanne zeigen wird.

Was die neuen Folgen bringen? Ein Wiedersehen mit fast allen relevanten Figuren von damals: Dan (John Goodman), Jackie (Laurie Metcalf), witzigerweise beide "Beckys" (Alicia Goranson und Sarah Chalke), Darlene (Sara Gilbert) und D. J. (Michael Fishman), dazu einige neue Enkelkinder und hoffentlich Pointen am Fließband. Eines freilich steht von vornherein fest: "Die liebe Familie" wird es wieder nicht spielen. (Doris Priesching, 24.3.2018)