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Verwandte von Häftlingen lassen ihrer Wut freien Lauf, da ihnen die Polizei keine genaueren Informationen gibt.

Foto: AP/Juan Carlos Hernandez

Caracas – In Venezuela sind mindestens 68 Menschen bei einer Meuterei von Gefangenen in einer Polizeistation ums Leben gekommen. Das teilten die Behörden des Landes in der Nacht auf Donnerstag mit. Ein Oppositionspolitiker nannte eine höhere Opferzahl. Unter ihnen seien zehn Frauen, die Häftlinge besuchten. Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf forderte am Donnerstag zu raschen und gründlichen Ermittlungen auf.

Die Meuterei im Bundesstaat Carabobo hatte am Mittwoch begonnen, als die Häftlinge einen ihrer Bewacher als Geisel nahmen und anschließend Matratzen in Brand setzten, wie die Zeitung "El Universal" berichtete. Viele der Opfer starben, weil sie Rauch einatmeten.

Vier Staatsanwälte sollen ermitteln

Die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen zu dem Brand eingeleitet, sagte Generalstaatsanwalt Tarek Saab auf Twitter. Vier Staatsanwälte seien damit beauftragt worden. Nach Saabs Angaben sind unter den Toten zwei Frauen. In den Haftzellen des Polizeihauptquartiers von Carabobo werden viele Untersuchungshäftlinge untergebracht. "Wir verbürgen uns dafür, dass wir die Ermittlungen vertiefen, um diese schmerzvollen Geschehnisse sofort aufklären", schrieb Saab.

Der Abgeordnete Juan Miguel Matheus sagte der Zeitung "El Carabobeño", dass es insgesamt 78 Tote gegeben habe, unter ihnen zehn Frauen. Die Regierung halte die Information zurück, sagte der Parlamentarier der Oppositionspartei "Primero Justicia".

Tränengas gegen Angehörige eingesetzt

Verzweifelte Angehörige versammelten sich vor der Polizeistation. Auf Fernsehbildern waren Polizisten in Kampfausrüstung zu sehen, die die Menschen zurückdrängten. Auch Tränengas sei zum Einsatz gekommen. "Es gab keine Information. Nichts!", sagte eine Frau in einem Bericht des kolumbianischen Nachrichtensenders NTN24. Ihr Sohn war in dem Gebäude.

Die Abgeordnete Delsa Solorzano von der sozialdemokratischen Oppositionspartei "Un Tiempo Nuevo" erklärte, sie werde im Parlament beantragen, dass eine Untersuchungskommission eingesetzt werde, um die Verantwortlichen in den Behörden zu ermitteln. Die Nichtregierungsorganisation "Una Ventana de Libertad" machte Schlamperei und Nachlässigkeit beim zuständigen Ministerium für Justizvollzug verantwortlich für die Geschehnisse.

Überfüllte Polizeistationen

"Was heute in Carabobo passierte, ist ein Beispiel dafür, was wir in ganz Venezuela erleben", sagte ein Sprecher. Die Haftbedingungen für Untersuchungshäftlinge seien seit Langem in der Kritik. Polizeistationen seien hoffnungslos überfüllt. Das Ministerium habe vor Jahren versprochen, eigene Haftanstalten für Untersuchungshäftlinge zu errichten. Bisher sei keine einzige fertiggestellt worden.

Die UN-Menschenrechtsbehörde forderte, die Verantwortlichen der Vorfälle im Polizeirevier zu benennen. Sie müssten vor Gericht gebracht werden. Zudem sollten die Familien der Opfer entschädigt werden, hieß es in einer Stellungnahme in Genf. Die Haftbedingungen in dem südamerikanischen Land müssten endlich deutlich verbessert werden. Die Bedingungen in Haft müssten für alle den Standards der internationalen Menschenrechte entsprechen. Das bedeute das völlige Verbot von Folter oder grausamen Bestrafungen.

Im vergangenen Jahrzehnt sind rund 300 Menschen bei Revolten und Meutereien in venezolanischen Haftanstalten umgekommen. (APA, 29.3.2018)