Organe sollen künftig schon vor dem Eingriff präpariert werden.

Illustration: Francesco Cioccolella

Es ist eine Intensivstation in Miniaturformat. So klein, dass darin kein ganzer Patient, sondern nur ein Teil von ihm Platz hat. Und trotzdem ist das Prozedere exakt so, als handle es sich um einen ganzen Menschen, wie Stefan Schneeberger, Leiter der Transplantationsmedizin an der Universitätsklinik Innsbruck, erklärt: "Das Monitoring ist dasselbe wie bei einem echten Patienten. Wir schauen uns die gleichen Werte an, wir geben das gleiche Substrat, Insulin, Glukose, Nährstoffe, Heparin zur Blutverdünnung und so weiter." Erst wenn alle Werte passen, geht es weiter in den OP, wo der wirkliche Patient auf die Spenderleber wartet, die derart auf den Eingriff vorbereitet wurde.

Das Gerät, in dem die Spenderleber unter Bedingungen wie im menschlichen Körper aufbewahrt werden kann, ist eine Weltneuheit und soll die Transplantationsmedizin revolutionieren. Der unscheinbare weiße Kasten heißt Metra und wurde am Transplantationszentrum in Oxford entwickelt. Die Innsbrucker Klinik ist eines von nur zwei Häusern weltweit, an denen die Maschine bereits zum Einsatz kommt.

Unmögliches vollbringen

Fünfmal wurden in Innsbruck bereits Spenderorgane in der Metra aufbewahrt und behandelt. Vier davon sind in der Folge Patienten eingesetzt worden. Diese Beispiele zeigen bereits, dass Metra bisher Unmögliches vollbringen kann. Denn eine der bemerkenswerten Möglichkeiten, die sich mit der neuen Technik auftun, ist, dass man eine Spenderleber nun bis zu 24 Stunden außerhalb des menschlichen Körpers aufbewahren kann.

Bisher waren Lebertransplantationen ein Wettlauf gegen die Zeit. Den Chirurgen bleiben nur acht Stunden, um ein gespendetes Organ zu verpflanzen. Das bedeutet in der Praxis einen enormen Aufwand an Ressourcen, der kaum planbar ist. Nicht selten müssen die OP-Teams mitten in der Nacht loslegen.

Mehr Zeit haben

Mit Metra wird sich das ändern. Im Moment ist das Zeitfenster noch auf 24 Stunden beschränkt, in dem das Spenderorgan in der Maschine gelagert werden kann. Mittel- bis langfristig jedoch rechnet Schneeberger damit, die Frist auf 72 Stunden ausdehnen zu können. Das bringt den Ärzten wertvolle Zeit, in der sie sowohl das Organ selbst als auch den Patienten auf den bevorstehenden Eingriff vorbereiten können.

"Es gibt Therapieprotokolle, mit denen man einen Patienten vorbehandeln kann. Durch Bestrahlung oder mittels Medikamenten und Stammzellen des Empfängers wird der Körper gegenüber dem neuen Organ tolerant gemacht", erklärt Schneeberger. So etwas ist derzeit allerdings nur bei Lebendspenden möglich, die längerfristig im Vorhinein planbar sind.

Keine Medikamente notwendig

Zu solchen Beispielen bei Lebendspenden gibt es Protokolle aus Stanford, der Northwestern Universität in Chicago und Harvard, wo man Gruppen von 20 bis 30 Patienten derart gut auf die Transplantation vorbereiten konnte, dass sie in der Folge keine Medikamente und keine Immunosuppression benötigten. Die Körper haben die Organe nicht abgestoßen.

Wenn nun Derartiges mithilfe der Metra auch für Spenderorgane möglich wird, wäre das ein großer Schritt für die Transplantationsmedizin, ist Schneeberger überzeugt. Darüber hinaus wollen die Innsbrucker nun beim Ethikrat um die Erlaubnis ansuchen, Organe, die aus gewissen Gründen nicht mehr für eine Transplantation genutzt werden können, länger als 24 Stunden in der Metra zu belassen, um an ihnen Versuche durchzuführen: "So könnten wir austesten, was der Leber guttut und wie man sie verbessern könnte."

Gegen die Engpässe

Und genau darin sieht Schneeberger den wirklich revolutionären Aspekt der neuen Maschine. Denn nun, so der Mediziner, besteht erstmals die Möglichkeit, Transplantationsmedizin mit der neuen Technik des Tissue Engineerings, also der Gewebekonstruktion, zu verbinden. Konkret verspricht man sich davon einen Quantensprung, was die Modifikation und Regeneration der Spenderorgane angeht. Denn oft ist eine Leber aufgrund ihrer Vorschäden ein nicht optimal oder auch schlecht geeignetes Organ. Das heißt: Sie weist Fehler oder Schäden auf, die sie eigentlich als Spenderorgan unbrauchbar machen.

Genau da setzt auch Tissue Engineering an. Es geht darum, Organe von Tier und Mensch gleichermaßen zu optimieren. In einem ersten Schritt werden diese Organe dezellularisiert. Das heißt, man befreit sie komplett von allen Zellen, sodass am Ende nur noch die reine dreidimensionale Struktur davon übrig bleibt, das Grundgerüst. Dann wird dieses Gerüst mit neuen Stammzellen befüllt und besiedelt. Der ebenfalls aus Innsbruck stammende Chirurg Harald Ott hat es auf diese Weise geschafft, ein Herz wiederherzustellen und sogar zum Schlagen zu bringen.

Schneeberger denkt bereits weiter: "Wenn man nun schon damit beginnt, das wieder zu besiedeln, könnte man dazu gleich Stammzellen des künftigen Empfängers verwenden." So wäre es möglich, ein genetisch adaptiertes Organ zu züchten oder zumindest einen Teil der Zellen im Organ mit jenen des zukünftigen Empfängers so zu ersetzen, dass eine mögliche Abstoßungsreaktion vermindert oder sogar verhindert wird.

Vielversprechende Experimente

Das wäre insofern von großer Bedeutung, als dass das Immunsystem fremde Zellen immer sofort erkennt. Vor allem an den kritischen Strukturen im Organ wie den Gallengängen und Gefäßen kann das zu Problemen führen. Ersetzt man nun aber die oberflächlichen Zellen, das sogenannte Endothel, mit Zellen des künftigen Empfängers, so würde das Organ eventuell nicht mehr als fremd angesehen werden. Noch fehlen genauere Untersuchungen dazu. Aber experimentelle Anwendungen sind vielversprechend verlaufen. Doch bis diese Technologie, für die Schneeberger großes Potenzial ortet, klinisch angewandt werden kann, werden wohl noch mindestens fünf bis zehn Jahre vergehen.

Vorerst lautet der große Vorteil der maschinellen Perfusion, dass man die Zahl der Lebertransplantationen um rund zehn Prozent erhöhen kann. Das ist insofern von Bedeutung, weil dies – statistisch gesehen – genau jene zehn Prozent von Patienten sind, die derzeit auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen und sterben, bevor sie eines erhalten. Schon das Ziel, die Wartelistensterblichkeit gegen null zu bringen, würde den Einsatz von Metra rechtfertigen, sagt Schneeberger. Doch die große Chance sieht er neben der Verlängerung des Zeithorizonts für Patienten in der Zusammenführung von Transplantationsmedizin und Tissue Engineering.

Eine Frage der Kosten

Die klinische Anwendung von Metra läuft an der Med-Uni Innsbruck bereits. An der Universitätsklinik werden gut die Hälfte aller Lebertransplantationen Österreichs durchgeführt. Sie ist auch die einzige Einrichtung im Land, die Lebenendspenden transplantiert. Das ist vor allem bei Kindern und kleinen Personen von großer Bedeutung, da sie für große Spenderorgane rein physisch nicht geeignet sind. Eine erprobte Technik, wie Schneeberger erklärt, die für Spender und Empfänger nicht mehr Risiko bedeutet, als etwa eine Nierenspende: "Auch deshalb, weil die Leber wieder nachwächst."

Ob und wann man zusätzlich klinische Studien startet, um die Einsatzmöglichkeiten von Metra noch zu erweitern, ist derzeit offen. Denn trotz des enormen Potenzials dieser Technologie könnte die Kosten den Innovationsfortschritt bremsen. "Es ist auch bei der maschinellen Perfusion so, dass sie Mehrkosten verursacht. Das ist zugleich meine größte Sorge", sagt Schneeberger. Zwar bringe die neue Technik Einsparungen, weil man die Eingriffe besser zeitlich planen kann und sich damit Kosten für Nachtdienste spart. Denkt man jedoch weiter in Richtung komplexer Medizin, wird dies langfristig Mehrkosten bedeuten, weil – ganz unsensibel ausgedrückt – jene, die sonst verstorben wären, nun weiterleben.

Angehörige dagegen

Ein anderes Problem, das die Maschine allein nicht ändern und beeinflussen kann, ist die Zahl der Organe, die den Chirurgen zur Verfügung steht. Zwar ist es in Österreich gesetzlich so geregelt, dass theoretisch jeder, der sich nicht ausdrücklich dagegen verwehrt, nach seinem Tod als potenzieller Organspender fungiert. In der Praxis wird aber in jedem Fall das nähere Umfeld befragt, bevor Organe entnommen werden, und dieses spricht sich meist – nicht selten noch unter dem frischen Eindruck, einen Nahestehenden verloren zu haben – dagegen aus. "Die Ärzte bestehen auch deshalb nicht auf dem Recht, die Organe zu entnehmen, weil man um die Wahrnehmung der Transplantationsmedizin in der Öffentlichkeit fürchtet, würde man sich über den Willen der Angehörigen hinwegsetzen.

Im Moment führt das dazu, dass die Wartelistenmortalität bei Patienten, die auf eine Lebertransplantation in Innsbruck warten, zwischen fünf und zehn Prozent liegt. Schneeberger will sie auf fünf Prozent senken: "Weltweit gibt es nicht viele Gegenden, in denen das möglich ist. In Norwegen und Spanien vielleicht noch." Wobei er anmerkt, dass heute noch nicht alle Patienten, die von einer Transplantation profitieren würden, auch auf der Liste für ein Spenderorgan stehen. "Weil wir wissen, dass es nur eine begrenzte Anzahl an Spenderorganen gibt, werden Menschen mit besonders schlechten Prognosen wie etwa Metastasenlebern gar nie in die Listen mitaufgenommen."

Würde man es nun schaffen, dank der Kombination aus maschineller Perfusion und Tissue Engineering die Zahl der zur Verfügung stehenden Organe deutlich zu erhöhen und zugleich dank Modifikation die Verträglichkeit zu steigern, wäre man in der Lage, auch jenen Patienten zu helfen oder ihnen zumindest zu versuchen, die eine schlechtere Prognose haben. Ein erster Schritt in diese medizinische Zukunft ist mit dem Einsatz von Metra bereits getan. (Steffen Arora, CURE, 26.5.2018)