Wiedehopf (links): Pestizide und Biotopverlust setzen ihm zu. Auch in Österreich gibt es immer seltener Brutpaare.

Feldlerche (mitte): Ihr Bestand ist in 20 Jahren um 40 Prozent gesunken. Äußerlich eher unscheinbar, fallen vor allem die Männchen durch ihren Gesang auf. Ohne Pause können sie mehrere Minuten lang im Flug singen.

Braunkehlchen: Sie sind das Sorgenkind des Vogelschutzes. Der Vogel mit der orangegelben Brust brütet auf dem Boden. Durch häufigen Schnitt werden Eier oder Jungvögel weggemäht. Größere Zeitfenster helfen.

Zeichnungen: Armin Karner

Es rollt, trillert und zirpt im Nebel. Aus dem benachbarten Nationalpark Donauauen zieht dichter Morgendunst über die Äcker des Marchfelds nahe Mannsdorf an der Donau in Niederösterreich. Noch sind die Singvögel kaum zu erkennen, aber zu hören. Eine männliche Feldlerche übertönt sogar ein Flugzeug, das über den Himmel donnert. "Er zeigt jetzt den Weibchen, welche Energie er hat", sagt Norbert Teufelbauer, Vogelkundler bei der Vogelschutzorganisation Birdlife Österreich. Die Männchen müssen Kondition beweisen: Ihren kunstvollen Gesang tragen sie überwiegend im Flug vor.

Doch dies tun sie immer seltener. Dem braungrauen Offenlandvogel geht in Europa die Luft aus. Der Bestand der Feldlerche ist seit 20 Jahren um mehr als 40 Prozent geschrumpft. Das zeigt das Brutvogelmonitoring von Birdlife, das seit 1998 an fixen Zählpunkten durchgeführt wird. Auch zahlreiche andere Vögel wie Kiebitz, Braunkehlchen, Rebhuhn und Grauammer finden sich auf der Liste der gefährdeten Arten.

Optimierte Kulturlandschaft

In Österreichs Landschaft stimmt etwas nicht. Überall, wo moderne Landwirtschaft betrieben wird, gehen Lebensräume für im Feld lebende und brütende Vögel verloren. "Hecken, Grasstreifen, feuchte Senken, Bäume: Viele Vögel brauchen Sonderstrukturen", sagt Teufelbauer. Doch die stehen Landmaschinen im Weg und verschwinden zunehmend. Im Marchfeld stehen einige Baumreihen, die als Windschutz fungieren; ansonsten offene Feldflächen, auf Ertrag optimierte Kulturlandschaft, so weit das Auge reicht. Für Vögel bleibt nichts übrig.

Pestizide seien ein anderes "Grundübel", sagt Teufelbauer, sowohl auf dem Feld als auch in Privatgärten. Er führt das auf ein "mechanistisches Verständnis" der Natur zurück: "Wenn man ein Problem hat, kauft man etwas. Das ist aber oft nicht naturverträglich."

Der Ornithologe zeigt auf eine Gold ammer, die unübersehbar vorbeiflattert. Ihr knallgelbes Gefieder leuchtet exotisch vor einer grauen Natur, die erst aus dem Winter herausfinden muss. Ihr Bestand ist in 20 Jahren um ein Viertel geschrumpft. "Dabei ist das kein anspruchsvoller Vogel", sagt er.

80 Prozent verschwunden

Doch nicht nur Österreich hat ein Pro blem. Laut französischen Biologen ist in ländlichen Regionen in den vergangenen 15 Jahren ein Drittel der Vögel verschwunden. Laut dem deutschen Ornithologen Peter Berthold sind in Deutschland seit 1800 rund 80 Prozent der Individuen verschwunden. 60 Prozent der Vogelarten haben stark abgenommen, nur 30 Prozent sind stabil. Dazu gehören Raben oder Elstern, die auch in "vogelfeindlichen Zeit" überleben. Als positives Beispiel nennt Berthold das Projekt "Jeder Gemeinde ihr Biotop". Dabei wird "Unland", das nur noch wenig ertragreich ist, aus der Nutzung genommen. Das könne mit zehn Prozent der Fläche ohne Einbrüche im Bruttosozialprodukt passieren, so Berthold. Zudem empfiehlt er, von "Psychopathengärten" wegzukommen: seltener mähen, Büsche, keine Pestizide.

Eigentlich gibt es auch in Österreich ein Agrarumweltprogramm, das die Natur schützende Landwirtschaft fördert. Das werde zu wenig umgesetzt, sagt Ornithologe Teufelbauer. Wenn Bauern Leistung für die Natur erbringen, also etwa Flächen für brütende Vögel zeitweise stilllegen, "muss sich das auch lohnen", sagt er, denn "so funktioniert unsere ganze Welt". Das Programm wurde zudem durch zahlreiche Regelungen zu einem "unübersichtlichen Moloch", sagt er.

Eine Art, deren Rückgang direkt auf fehlende politische Maßnahmen zurückgeführt werden kann, ist das Rebhuhn. International ist es nicht gefährdet, in Österreich hat die Art aber seit 20 Jahren um 90 Prozent abgenommen. Der gedrungene Vogel mit den kurzen Beinen leidet als Bodenbrüter besonders unter fehlenden Randstrukturen an den Feldern. Der Vogelkundler berichtet: "Als Österreich der EU beitrat, war es Pflicht, zehn Prozent der Fläche brach zu lassen. Diese Regelung fiel 2007. Seither ist der Bestand zusammengebrochen."

Vögel sterben mit Insekten

Die intensive Landwirtschaft gilt auch als Hauptverursacher des dramatischen Rückgangs von Insekten – der Nahrungsgrundlage vieler Vögel. Laut einer Studie der Radboud-Universität in Nijmegen von 2017 hat die gesamte Biomasse aller Insekten in den vergangenen 30 Jahren um 75 Prozent abgenommen. Um Langzeitrends zu erkennen, wird mit Naturkundemuseen kooperiert. Deren Kartierungen umfassen oft mehrere Jahrhunderte. Es zeigt sich, dass die Entwicklung nicht auf Regionen begrenzt ist: Die Biomasse nimmt global ab.

"Die Hauptverluste im Insektenreich gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg. Die größten Veränderungen seit 20 bis 30 Jahren", sagt Jan Christian Habel. Der Biogeograf beschäftigt sich mit terrestrischer Ökologie, also der Interaktion von Organismen wie zum Beispiel Vögeln und Insekten. Je spezialisierter eine Art ist, umso schlechter kann sie ausweichen. "Spezialisten machen jedoch wenig an Biomasse aus", betont Habel. Für ihn ist ebenso wieder mehr Vielfalt in der "ausgeräumten Landschaft" zentral.

Spuren des Klimawandels

Auch der Klimawandel hinterlässt in Österreich seine Spuren. Dabei gibt es aber nicht nur Verlierer. Star, Türkentaube oder Nachtigall profitieren. Die vor wenigen Jahren vermehrt im Süden Europas vorkommenden Bienenfresser werden öfter gesichtet. Verlierer sind etwa Wintergoldhähnchen, Wacholderdrossel oder Fitis. Die im Norden verbreiteten Weidenmeisen oder Bergfinken werden weniger. Das an kalte Regionen angepasste Alpenschneehuhn wird laut Prognose stark leiden.

Im Marchfeld hat sich am Vormittag die Sonne gegen den Nebel durchgesetzt. Teufelbauer lenkt sein Auto auf einen Feldweg und zückt sein Fernglas. Auf einem Acker nahe Orth sitzt ein Schwarm von rund 110 Kiebitzen. Der einstige "Allerweltsvogel" hat in nur 25 Jahren 40 Prozent eingebüßt.

Vom Kiebitz hängen keine Pflanze und kein Tier direkt ab. Er bestäubt nicht. Er verbreitet kaum Samen. Ökosysteme würden nicht gleich ins Wanken kommen, wenn er verschwindet. Doch das Verschwinden der Feldvögel ist symptomatisch für die Folgen intensiv genutzter Natur. "Und niemand weißt, ab welchem Punkt das System kippt", sagt Teufelbauer. (Julia Schilly, 1.4.2018)