Neun Herren im Anzug – ein Bild, das gepflegte Langeweile ausstrahlt, und dennoch ein Bild, das zu Ostern die Gemüter in Österreichs nördlichem Nachbarland erregte. Was da in der Nachrichtenflut auf Twitter auftauchte, war nämlich nicht die Anzeige irgendeines Herrenausstatters. Es war das offizielle Bild der "Führungsmannschaft" von Horst Seehofers Innen- und Heimatministerium. Das Wort "Mannschaft" war hier wörtlich zu nehmen, denn auf dem Bild war keine einzige Frau zu sehen. Die Empörung folgte prompt. "Nicht meine Heimat" twitterte eine Abgeordnete der Grünen. "Für Seehofer gehören Frauen nicht zu Deutschland" schrieb eine andere Userin.

Gleichberechtigung stößt auf Widerstand

Mit seiner missglückten Bildauswahl fügte das Seehofer-Ministerium dem an Geschlechterdebatte auch so schon nicht armen März eine letzte Episode hinzu. Unfreiwillig wurden neun Anzüge und eine bunte Auswahl an Krawatten der Beweis dafür, wie schwer sich unsere Nachbarinnen und insbesondere unsere Nachbarn in puncto Gleichberechtigung trotz aller unbestreitbaren Fortschritte immer noch tun. Das Foto zeigte nur zu deutlich, was der Unterschied ist zwischen einer Welt, in der Frauen und Männer gleichgestellt sind, und einer Welt, in der Frauen sich "mitgemeint" zu fühlen haben.

Dass es dabei auch um unsere Sprache geht, wird oft als Nebensache abgetan. Richtlinien und Leitfäden zur geschlechtergerechten Sprache werden zwar toleriert, wenn auch mitunter ins Lächerliche gezogen. Doch wenn es ums Eingemachte geht, zeigt sich schnell, wie groß der Widerstand – insbesondere von Männern – nach wie vor ist.

Sturm der Entrüstung

Pünktlich zum Internationalen Frauentag wartete zum Beispiel die Gleichstellungsbeauftragte des SPD-geleiteten Bundesfamilienministeriums, Kristin Rose-Möhring, mit dem Vorschlag auf, einige Textstellen der deutschen Nationalhymne zu ändern. "Vaterland" sollte durch "Heimatland" und "brüderlich" durch "couragiert" ersetzt werden. Rhythmisch ist das okay. Verdaulich war es für viele Deutsche jedoch nicht. Dabei durfte dieses Anliegen eigentlich niemanden überraschen. Österreich und Kanada waren ja bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Von einem übereilten und unbedachten Vorstoß kann also keine Rede sein.

Mitte des Monats folgte dann eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe zur geschlechtergerechten Sprache in Bankformularen. Das Gericht befand, dass eine Sparkasse ihre Kunden auch dann weiterhin in Formularen als "Kunde" bezeichnen darf, wenn es sich offensichtlich um eine "Kundin" handelt. Hierbei handele es sich nicht um eine Form der Geringschätzung oder Diskriminierung. Vielmehr sei der Sprachgebrauch des Gesetzgebers prägend und kennzeichnend für den allgemeinen Sprachgebrauch und der gehe davon aus, dass grammatisch männliche Personenbezeichnungen Frauen einschließen.

Sowohl der Vorschlag der Gleichstellungsbeauftragten als auch das Urteil lösten ebenfalls einen Sturm der Entrüstung aus. Eine Änderung der Nationalhymne wurde als Anschlag auf die Kunstfreiheit gesehen – so als sei das "Lied der Deutschen" noch nie aus berechtigtem Grunde angepasst worden. Der Klägerin wurde vorgeworfen, Gerichte mit Belanglosigkeiten zu blockieren – so als hätte nicht auch die Sparkasse einfach ihren Sprachgebrauch modernisieren können.

Klarer Sachverhalt aus sprachwissenschaftlicher Sicht

Eines konnten die Gegner des Wandels jedoch nicht vorbringen: wissenschaftlich fundierte Argumente. Denn aus Sicht der Sprachwissenschaft ist der Sachverhalt klar: Was sprachlich nicht sichtbar gemacht wird, bleibt im Verborgenen. Es wird nicht wahrgenommen oder gar fehlinterpretiert. Zahlreiche wissenschaftliche Studien erbringen für viele Sprachen immer wieder aufs Neue den Nachweis, dass grammatisch maskuline Formen sowie von männlichen Bezeichnungen abgeleitete Wörter Frauen nicht unbedingt in unsere Denk- und Wahrnehmungsprozesse einschließen. Dass das so genannte generische Maskulinum geschlechtsneutral ist, lässt sich nicht belegen. Die Mehrheit denkt bei männlichen Personenbezeichnungen an Männer. Vor allem aber fühlen sich selbst Frauen durch das Maskulinum nicht unbedingt angesprochen. Dass auch Personen weiblichen Geschlechts gemeint sein könnten, verstehen auch Frauen nur verzögert oder gar nicht. Dabei sind es heute aber vor allem die Frauen, die sich in Zeiten der Gleichberechtigung auch angesprochen und mitgedacht fühlen sollen.

Aufschlussreich ist der Versuch, die Verhältnisse umzukehren: Männer empfinden es als abschreckend, wenn sie mit femininen Wörtern bezeichnet werden. Erinnert sei hier an den Aufschrei, als die Universität Leipzig in ihrer Satzung das generische Femininum einführte. Sollte es dann eigentlich nicht auch abschreckend sein, wenn Frauen mit maskulinen Wörtern bezeichnet werden oder sich gar selbst mit solchen bezeichnen? Dies umso mehr, als das Deutsche doch weibliche Bezeichnungen problemlos bereitstellt. Wie oft hören wir im Flugzeug, dass Barbara Maier der Erste Offizier und Silke Schmidt der Purser an Bord ist. Dabei ist "die Erste Offizierin" durchaus deutsch und grammatisch richtig. Selbst der Duden gibt "Purserin" und "Purserette" als feminine Pendants zu "Purser" an. Nach Angaben der Lufthansa pflege die Fluggesellschaft einen liberalen Umgang mit geschlechtergerechter Sprache und gebe diesbezüglich keine Corporate-Language-Richtlinien vor. Weiblichem Personal sei es demnach freigestellt, wie sie sich selbst benennen. Allerdings habe sich auch für Copilotinnen die Bezeichnung "Erster Offizier" durchgesetzt. (Da überrascht es dann auch nicht weiter, dass auf Werbeplakaten der Konzerntochter Eurowings immer Männer die Piloten sind und Frauen auf die Rolle der attraktiven Flugbegleiterin reduziert werden.)

Wir machen es uns einfach

Das ist nun aber gerade die Frage: Kann behauptet werden, dass sich eine Bezeichnung wirklich durchsetzt, oder ist es letztendlich nicht so, dass nur wieder der traditionelle Sprachgebrauch mit seiner Bevorzugung des Männlichen dominiert, weshalb Wörter dann in gewohnter Weise verwandt werden? Es ist allzu offensichtlich, dass das als lästig empfundene Gendern häufig umgangen und ignoriert wird. Dem bequemen patriarchal geprägten Sprachgebrauch gilt deswegen oft der Vorzug. Wir machen es uns eher einfach und nehmen dafür einen Informationsverlust in Kauf, anstatt über unsere historisch verwurzelte und anerzogene Wortwahl nachzudenken und unsere hinter der Sprache steckende Weltanschauung zu reflektieren. Zumal wir ja auch nicht sagen "Sandra ist ein waschechter Deutscher" oder "Jane ist ein sehr guter Student".

Die derzeit geführte Sexismusdebatte ist eine wichtige Debatte. Sie macht auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam und verdeutlicht unser weiterhin männerdominant organisiertes Miteinander. Interessant ist aber, dass Sprache in diesem Kontext keine Rolle zu spielen scheint. Sexismus werde wohl ausschließlich gesellschaftlich, aber nicht sprachlich hervorgebracht. Dies ist ein Trugschluss! Sprache hat erheblichen Anteil an sexistischen Handlungen. Vor allem aber trägt Sprache sexistische und diskriminierende Strukturen innerhalb der Gesellschaft an die Oberfläche.

Sprache propagiert ein Weltbild

Das Debattieren um sprachliches Gendering ist keineswegs ideologisches Geschwafel. Es ist zumindest nicht ideologischer als das konsequente Beharren auf einem maskulinen Sprachgebrauch. Denn das Ausruhen auf althergebrachten grammatischen Strukturen und die Überzeugung, Frauen seien bei maskulinen Formen stets mitgemeint, sind nicht nur anmaßend, sie propagieren ebenfalls ein bestimmtes Weltbild.

Vor diesem Hintergrund ist es legitim zu fragen, ob eine Nationalhymne, ein Bankformular oder der Text eines Gesetzes wirklich unserem Verständnis von der Gleichberechtigung der Geschlechter gerecht werden. Seehofers Fotofiasko zeigt deutlich: Wer nur mitgemeint ist, darf noch lange nicht mit aufs Foto. Menschen, die ihren Sprachgebrauch bewusst ändern, machen dagegen deutlich, dass sie nicht bereit sind, diesem Geschlechterbild weiterhin Raum zu geben. (Dennis Scheller-Boltz, 4.4.2018)