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Deutschlands Innenminister Horst Seehofer hat einen Entwurf zum Familiennachzug für Flüchtlinge vorgelegt. Weil dieser der SPD zu streng ist, streitet die neue "Große Koalition" in Deutschland bereits wenige Woche nach ihrem Amtsantritt kräftig.

Foto: AP / Chrisoph Gateau

Augsburg – Im Streit um den Familiennachzug von Flüchtlingen droht die CSU den Sozialdemokraten mit der Koalitionsfrage. Was Innenminister Horst Seehofer (CSU) plane, entspreche "genau dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde", sagte Unionfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) der "Augsburger Allgemeinen". "Wenn die SPD da nicht mitmachen würde, wäre die Große Koalition am Ende", sagte der CSU-Politiker.

Das könne er sich aber nicht vorstellen, fügte Nüßlein hinzu. "Hier geht es schließlich nicht um irgendeinen beliebigen Punkt, sondern um einen Kernbestandteil des Koalitionspapiers."

In der großen Koalition war zuletzt ein neuer Streit über den Familiennachzug entbrannt. Grund hierfür ist der von Seehofer vorgelegte Gesetzentwurf zum Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz. Er sieht vor, den Nachzug an strenge Kriterien zu knüpfen.

Asylzentren ab September

Innenminister Seehofer drückt bei seinem Plan für schnellere Asylverfahren und Abschiebungen aufs Tempo. Bis Juni soll die Bundesregierung den Vorhaben zustimmen, und ab September sollen erste Asylzentren eingerichtet werden, wie der CSU-Chef am Freitag ankündigte. "Der Masterplan für Migration wird bis spätestens zur Sommerpause ins Kabinett gebracht."

Seehofer nutzt seinen Antrittsbesuch im Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) für die Ankündigung. Für die sogenannten Ankerzentren plant Seehofer eine Pilotphase, um zunächst ohne Gesetzesänderungen auszukommen. Die Abkürzung "Anker" steht für "Ankunft, Entscheidung, Rückführung". Von der geplanten Zusammenarbeit verschiedener Behörden unter einem Dach erwarte er eine deutliche Beschleunigung von Asylverfahren und Rückführungen, sagte Seehofer. Er wolle diese vor allem in größeren Bundesländern einrichten und dabei eng mit den Ländern kooperieren. Zudem solle das Bamf deutlich mehr Personal bekommen. Zahlen nannte er nicht. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Deutsche Bundestag das ablehnt."

Um Asylverfahren schneller abzuschließen, will Seehofer neben den Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko auch Georgien zu einem sicheren Herkunftsland erklären, wie er dem "Spiegel" sagte. Der Bundesrat hatte in der vergangenen Legislaturperiode eine Ausweitung der Liste verhindert. Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD verabredet, dass künftig alle Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden sollen, sobald die Anerkennungsquote von Antragstellern regelmäßig unter fünf Prozent rutscht.

Bayern orten "Sozi-Phantasien"

Zuvor schon warf CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem stellvertretenden SPD-Chef Ralf Stegner am Donnerstag "Sozi-Phantasien von Deutschland als Weltsozialstaat" vor. Diese "landen jetzt auf dem harten Boden des Koalitionsvertrags, mit dem wir vereinbart haben: Der Anspruch auf Familiennachzug wird endgültig abgeschafft." Außenminister Heiko Maas (SPD) pochte dagegen darauf, dass monatlich bis zu 1.000 Angehörige nach Deutschland ziehen dürfen sollen.

Dem widersprach Dobrindt umgehend. "Wer jetzt danach ruft, das Kontingent zwingend auszuschöpfen, versucht eine humanitäre Sonderregelung für mehr Zuwanderung in unsere Sozialsysteme zu missbrauchen", erklärte er. Die Botschaft des Koalitionsvertrages sei eine andere: "Wir wollen weniger, nicht mehr Zuwanderung."

Stegner wiederum entgegnete auf Twitter: "Abgeschafft hat die CSU allenfalls das C in ihrem Namen, wenn sie im Wettbewerb mit den Rechtspopulisten deren Parolen nachplappert." Der Nachrichtenagentur Reuters sagte er, ohne Detailkenntnis des Gesetzentwurfs lasse sich nicht sagen, ob dieser die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag verschärfe. Die SPD werde vom Verhandlungsergebnis keinen Millimeter abweichen. Die CSU-Äußerungen erklärte er mit der bayerischen Landtagswahl im Herbst: "Die ganze Tonlage ist mehr dem Wettbewerb zwischen CSU und AfD in Bayern geschuldet." Auch in der CDU verwies man auf die Landtagswahl.

Entwurf wird abgestimmt

Der Gesetzentwurf wird zurzeit zwischen den Ministerien abgestimmt. Laut Koalitionsvertrag sollen von August an monatlich 1.000 Ehepartner, minderjährige Kinder und Eltern aus humanitären Gründen zu den Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus nachziehen dürfen. Damit würde der im Frühjahr 2015 gestoppte Familiennachzug für diese Flüchtlinge wieder möglich.

Während die CSU betonte, damit solle ein restriktiverer Kurs umgesetzt werden, hatten einige SPD-Politiker mit scharfer Kritik reagiert und darauf gepocht, Seehofer müsse sich an den Koalitionsvertrag halten. Sein Ministerium stellte klar, dass der Familiennachzug bereits heute auf Angehörige der Kernfamilien beschränkt sei. Es sei zudem nicht geplant, Hartz-IV-Empfänger vom Familiennachzug auszuschließen.

Nach Einschätzung der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl geht der Entwurf über das im Koalitionsvertrag Vereinbarte "weit hinaus". Der Familiennachzug zu Empfängern von Sozialleistungen mit sogenanntem subsidiären Schutz werde faktisch ausgeschlossen. (Reuters, APA, 6.4.2018)