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Wie viele Großmäuler ist auch der Riesenhai letztlich harmlos (außer man gehört dem Plankton an).

Foto: AP Photo/Nick Caloyianis, Massachusetts' Division of Marine Fisheries

Washington – Im November 2013 bot sich Forschern, die eigentlich Wale zählen wollten, vor der Küste Neuenglands ein spektakulärer Anblick: An die 1.400 Riesenhaie zogen dort innerhalb eines Radius von 18,5 Kilometern ihre Kreise nahe der Oberfläche und tauchten gelegentlich auf. Eine solche Massenansammlung hatte man noch nie zuvor gesehen.

Der Riesenhai (Cetorhinus maximus) ist schon als Einzeltier beeindruckend: Mit zehn Metern Länge – doppelt so lange wie ein durchschnittlicher Weißer Hai – ist er der zweitgrößte Fisch der Welt. Wie sein noch größerer Verwandter, der Walhai, ist er jedoch für Menschen völlig ungefährlich und ernährt sich ausschließlich von Plankton. Er ist sehr mobil, aber nicht agil – seine langen Wanderungen absolviert er in gemächlichem Tempo.

Wenn Einzelgänger zusammenfinden

Meistens werden Riesenhaie als Einzeltiere gesichtet, berichtet Leah Crowe von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) im "Journal of Fish Biology". Mitunter können sich aber auch Gruppen bilden – offenbar bis hin zu extremen Massenansammlungen wie der von 2013. Crowe hat Daten aus dem Zeitraum ab 1980 zusammengetragen und ist dabei auf insgesamt zehn solcher Ereignisse gestoßen, auch wenn die meisten davon wesentlich kleiner ausgefallen waren als das von 2013. Die Daten waren allesamt bislang ignorierter "Beifang" von Studien, die sich um Wale gedreht hatten.

Alle Hai-Versammlungen ereigneten sich im Nordwestatlantik, zwischen Nova Scotia und Long Island, und fanden im Sommer oder Herbst statt. Die Wassertemperaturen nahe der Oberfläche liegen dann zwischen 13 und 24 Grad, was den gemütlichen Riesen zu behagen scheint. Ob sich die Riesenhaie zur Nahrungsaufnahme oder zur Fortpflanzung treffen oder auch beides miteinander verknüpfen, lässt sich laut Crowe nicht genau sagen: Dafür wisse man einfach zu wenig über den Lebenszyklus der Tiere.

Das große Fressen

Einiges spreche aber dafür, dass es hauptsächlich ums Fressen geht. Crowe zog für ihre Studien auch Satellitendaten und die Messungen von Umwelt-Monitoringprogrammen heran. Diese deuten darauf hin, dass sich die Haie dann in Massen einfinden, wenn in der Region besonders hohes Planktonaufkommen herrscht. Möglicherweise fressen sie sich dort voll, ehe sie auf anstrengende Wanderungen über weite Strecken aufbrechen.

Und obwohl die Tiere einander Konkurrenz an der Tafel machen, könnten sie unterm Strich sogar von der ungewohnten Nähe profitieren. Crowe interpretiert die Beobachtungen so, dass die Haie die von ihren Artgenossen verursachten Strömungen geschickt ausnutzen: Während ein Hai mit sperrangelweit geöffnetem Maul durchs Wasser pflügt, um Nahrung aufzunehmen, wirbelt er mit dem von ihm verdrängten Wasser weitere Planktonwolken zur Seite, die sich dann sein Nachbar schnappt. (jdo, 14. 4. 2018)