STS – Auf ihrem 1984 erschienenen Album "Überdosis G'fühl" befand sich ihr erster großer Hit: "Fürstenfeld".

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In Wien gibt es ein Lokal, das heißt STS. Das steht für Steirische Schmankerl-Stube, ist also eine eher freie Deutung der Abkürzung, wurscht. Das Lokal befindet sich unweit der Myrthengasse im siebenten Bezirk, wo es es eine Jugendherberge gibt. Gymnasial verpflichtete Wienwochenreisende aus der Steiermark sollen bis heute ihre Abende im STS verbringen, nachdem sie tagsüber durch die Sehenswürdigkeiten Wiens geschleppt wurden. Zumindest war das früher so. Endlich wieder daham, irgendwie halt. Gottverdammte Hauptstadt, gottverdammte!

Schuld daran sind STS. Nach der steirischen Band ist das Lokal ja auch benannt, in dem grausam entwurzelte Steirer ihr Blut mit der angebotenen Nudelsuppe vergleichen, so viel Klischee muss erlaubt sein.





Eine schicksalhafte Entscheidung

1984 dröhnte die Wunschformulierung "I wüll wieda ham" wochenlang aus den Radios des Landes. STS hatten es geschafft. Nachdem sich die Band aus Fürstenfeld schon auflösen wollte, gelang ihr mit dem Heimwehlied "Fürstenfeld" der Durchbruch. Und was für einer.

Dabei kam das Lied überhaupt nur auf das Album, weil die Plattenfirma meinte, für eines sei auf "Überdosis G'fühl" noch Platz. Eine schicksalhafte Entscheidung.

Im Rahmen des Gedenkens anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Republik widmet sich die Reihe "Zwickt's mi" österreichischer Popmusik. Einzelne Alben, Songs und Künstler, die die heimische Populärmusik geprägt haben, werden in Erinnerung gerufen und vorgestellt.

I wüll wieda ham

"Fürstenfeld" ist eine Art Novelty-Song. Er beginnt mit einem langen A-cappella-Intro. Erst nach eineinhalb Minuten setzen die Instrumente ein: ein Folksong – auf Steirisch. Der Inhalt: Ein Steirer versucht sich als Musiker in Wien, das wird nix, er spielt in der Kärntnerstraße, um Geld zu verdienen, um nach Hause fahren zu können: "I wüll wieder ham, ham noch Fürstenföd."

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Der Song hielt sich 14 Wochen in den österreichischen Charts, einige davon ganz oben, und er gehört zu den größten Hits des Austropop. Gerade auf dem Land verstand man das Lied gern als Abgesang auf das Leben in der großen Stadt, wo man sich im Kaffeehaus ausbrennt und die Leut' zum Fürchten ausschauen ("schwoaze Lippen, grüne Hoar"). Städter vermuteten Provinzialismus. Beides falsch.

Schnittmenge zur EAV

Die österreichische Popmusik hat einige ihrer Wurzeln im Kabarett der Nachkriegszeit. Das Kabarettistische war oftmals Teil des späteres Austropop – bis hin zu den gesungenen Klamotten der Ersten Allgemeinen Verunsicherung.

Schon die historischen und personellen Überschneidungen von STS mit der EAV lassen vermuten, dass es sich bloß um eine launige Betrachtung handelte und nicht die Land- beziehungsweise anschließende Stadtflucht als Kulturkampf Inhalt des Songs war. Wozu denn, in einem kleinen Land wie Ö? Und angeblich haben Schiffkowitz und Steinbäcker ohnehin nur ihren sehr in der Heimat verwurzelten Kollegen Timischl ein wenig freundschaftlich verarscht.

Erster Wiesnhit

Der Erfolg von "Fürstenfeld" machte das Trio Gert Steinbäcker, Günter Timischl und Helmut Röhrling alias Schiffkowitz zu einer der bekanntesten und erfolgreichsten Vertreter des heimischen Pop. "Fürstenfeld" gilt sogar als erster Wiesnhit des Münchner Oktoberfests. Ob das eine kulturelle Errungenschaft ist oder nicht, darüber müsste man einmal bei ein paar Mass nachdenken.

David Crosbys jüngerer Bruder

Bis zuletzt waren STS – 1975 gegründet, 2014 aufgelöst – eine große Nummer in Bayern, jenseits der Grenze füllten sie die größten Hallen. Ihre Musik war von US-amerikanischen Vorbildern beeinflusst: Crosby, Stills and Nash werden gern genannt, soll sein, Steinbäcker geht optisch locker als jüngerer Bruder von David Crosby durch. Der Folkrock der Westküste war also wichtig, die Entscheidung weise, doch auf Deutsch, im Dialekt, zu singen.

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Elf Alben hat die Band bis 2003 produziert, viele Hits waren auf diesen zu finden, zu den berühmtesten zählen die Urlaubs- und Sehnsuchtsballade "Irgendwann bleib i dann dort" (ebenfalls 1984), die Interpretation von Kris Kristoffersons "Help Me Make it Though the Night" wurde bei STS zu "Gö, Du bleibst heut Nacht bei mir" (1985) oder das 1986 erschienene "Großvater" aus Steinbäckers Feder.

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Das sind Evergreens des Austropop, die für Generationen von Publikum funktionierten und funktionieren. Der Ruhm von STS erklärt sich auch in einer sympathischen Normalität. Sie bewahrte sie davor, blöden Versuchungen seitens des Musikbusiness nachzugeben.

No Bullshit

Ob man die Musik mag oder nicht, geschenkt, aber STS waren eine No-Bullshit-Band. Depperte Eitelkeiten sind nicht überliefert, das im Austropop oft zutage tretende Selbstmitleid (Böses Ö3, blöde Medien …) fand in STS keinen Wirt.

Weltoffene Provinz

"Fürstenfeld" verkaufte sich allein 140.000-mal, es ist das "I am from Austria" der Oststeirer, dessen Zeile "Steirabluat is koa Nudlsuppn" Eingang in die Alltagssprache fand. Man kommt nicht drum herum, das ein Qualitätsmerkmal nennen. Zudem war der Regionalismus von STS nie vom Chauvinismus der Provinz begleitet, sondern von einer weltoffenen Toleranz. Davon können wir in Österreich und in der Welt nie genug haben. (Karl Fluch, 14.3.2018)