Goldschmied Thomas Hauser erfährt bei der Ausübung seines Handwerks eine ungeheure Körperspannung, die ihm Stille und Sicherheit verleiht.

Foto: Nathan Murrell
Foto: Nathan Murrell

"Mein Sessel, auf dem ich bei der Arbeit sitze, müsste eigentlich die Farbe Gold tragen. Wichtig bei diesem Gedanken sind aber weniger materielle, sondern anthroposophische Gründe. Gold steht für den Weg des Sich-Mitteilens, Silber für das Sich-Finden. Da ich weiß, was ich mit meiner Arbeit sagen will, empfiehlt sich ein Sessel aus "Gold".

Ich sitze bei meiner Arbeit relativ tief, da ich auf Augenhöhe mit meinen Materialien sein muss. Hinzu kommt, dass ich das Becken leicht nach hinten kippe und das Kreuz gerade halte. Mein Sitzen ist ein schwereloses, solides Sitzen, das mit der Erde verbunden ist. Dennoch schwebe ich bei der Arbeit. Ideen entwickle ich gerne in luftigen Höhen. Umsetzen will ich sie dann aber lieber auf dem Boden. Als ich für einige Jahre in New York lebte, befand sich meine Werkstatt im 21. Stockwerk. Das war ein recht unausgewogenes Gefühl für mich.

Erst durchs Sitzen manifestieren sich meine Ideen in der Ausführung. Man könnte auch sagen: "Ich mache, also bin ich." Denn es ist das Tun, das die Essenz des Handwerks ausmacht. Wie ein Organist arbeite ich auch mit den Beinen und verlagere meine Schwerpunkte. Dabei kommt es zu einer unglaublichen Körperanspannung. Nach fünf, sechs Stunden ist man regelrecht platt.

Sitzen verleiht mir Stille und gibt mir Sicherheit, schließlich habe ich es auch mit riskanten Situationen zu tun. Die gegenständige Welt kennt keinen Undo-Button. Eine falsche Bewegung, und der Edelstein oder die gesamte Arbeit sind perdu. Ich spreche im Zusammenhang mit meiner Arbeit von einem aktiven Sitzen. Ein Cellist kann ja auch nicht im Orchestergraben lümmeln.

Ich glaube, dass neben dem Sitz- auch der Zeitbegriff in meinem Job ein anderer ist. Ich nehme die Zeit nicht über die Uhr oder ein Gefühl wahr, sondern erfahre sie dadurch, wie sich ein Schmuckobjekt in meinen Händen entwickelt. Verhält es sich nicht so, ist irgendetwas mit der Konzentration nicht in Ordnung. Aber das gilt wahrscheinlich auch für andere Tätigkeiten.

Hocker und Thron

In Laos habe ich mir einen Sessel anfertigen lassen, man könnte sagen, es handelt sich um eine Mischung aus einem Hocker und einem Thron. Auf dem lässt es sich gut im Lotossitz sitzen, beim sogenannten Zazen-Meditieren. Dabei geht es darum, nichts zu tun, außer zu sitzen, um pures Sitzen und nichts anderes mehr zu wollen. Es ist wie beim Zazen-Bogenschießen: Sobald ich ins Schwarze treffen will und diesen Gedanken fixiere, ist es mit dem Treffer ins Schwarze vorbei. Diesen Zazen-Zustand versuche ich auch in meine Arbeit am Goldschmiedetisch einfließen zu lassen, was mir immer besser gelingt.

Natürlich würde ich auch gern einmal einen Sessel entwerfen. Das stelle ich mir so aufregend wie schwierig vor. Was will man heute noch neu machen? Es ist ähnlich wie in meiner Schmuckwelt. Welche Halskette soll man noch entwerfen? Und doch besteht genau darin die Herausforderung des Designs.

Bei einem Sessel kommt auch noch die Funktionalität hinzu. Es reicht nicht, mit der Motorsäge einen Baum umzuschneiden und sich dann auf den Stumpf zu setzen. Einen schönen Stuhl zu entwerfen ist das eine, aber einen, der auch noch wirklich gut funktioniert, etwas ganz anderes. Sollte ich die Herausforderung einmal annehmen, müsste mein Stuhl ein ganz luftiger sein, aus einem ganz besonderen, neuen Material, wie mein neu entwickeltes schwarzes Edelmetall Niellium zum Beispiel. So einen Sessel würde man fast nicht sehen und kaum spüren. Außerdem würde er viele Positionen für viele Anatomien zulassen. Ein Möbel zum Schweben." (Michael Hausenblas, RONDO, 13.4.2018)